Justin Engel auf Wolke sieben: „Das war mein bisher bestes Level“
Justin Engel hat am Hamburger Rothenbaum sein zweites Match auf der großen ATP-Tour gewonnen – 7:6, 7:6-Sieg gegen Jan-Lennard Struff.
Dass der 17-jährige Justin Engel ein Riesentalent ist, dürfte in der deutschen Tennisblase mittlerweile bekannt sein. Im Oktober 2024 gewann er im kasachischen Almaty als jüngster Profi seit Carlos Alcaraz 2020 ein ATP-Match. Er schlug Coleman Wong aus Hongkong – und sein Name war plötzlich in aller Munde. Was vor allem eins zeigt: Das deutsche Herrentennis lechzt nach Weltklassespielern. Alexander Zverev zieht zwar seit Jahren an der Spitze einsam seine Kreise, aber dahinter wird es immer dünner. Aktuell stehen mit Zverev, Daniel Altmaier und Jan-Lennard Struff noch drei deutsche Profis in den Top 100. Ein Engel als Heilsbringer?
Danach sah es in den letzten Monaten nicht unbedingt aus. Justin Engel, inzwischen auf einem Weltranglistenplatz um die 340 angekommen, kämpfte sich zwar durch einige Challenger-Qualis, verlor dann aber seit Jahresbeginn sechsmal jeweils in der ersten Runde dieser unterklassigen Profievents. Auch beim ATP-Turnier in München im April, wo er dank einer Wildcard teilnehmen konnte, scheiterte er gleich zum Auftakt. Vater Horst, der seinen Sohn lange trainierte, hatte genau davor im Herbst 2024 gewarnt: „Es wird damit klarkommen müssen, dass er jetzt wahrscheinlich viele Matches verlieren wird.“ Was er damit vor allem meinte: Der Junge braucht einfach Zeit, um sich weiterzuentwickeln.
Justin Engel: „Habe wenig Fehler gemacht“
Welches Level Engel nun tatsächlich abrufen kann, wurde am Montagabend am Hamburger Rothenbaum deutlich, als er auf den mehr als doppelt so alten Jan-Lennard Struff traf. Mit 7:6, 7:6 gewann Engel dieses Generationenduell. Es war sein zweiter Sieg auf der ATP-Tour, sein erster auf ATP 500er-Level und sein erster gegen einen Top 100-Spieler. „Das war mein bestes Level bisher. Ich habe wirklich wenig Fehler gemacht, vor allem in den engen Situationen. Das war mein solidestes Match bislang“, schwärmte Engel. Und weiter: „Es hat sich super da draußen angefühlt! Der Sieg macht es natürlich noch besser.“
Justin Engel holt sich im deutschen Duell am Rothenbaum gegen Struffi den ersten Satz im Tiebreak.
Engel 2025 mit einer 0:7-Bilanz in den MDs auf Challenger/ATP-Level … #Hamburg pic.twitter.com/V66HTWl4Ar
— Tim Boeseler (@TimBoeseler) May 19, 2025
Ausgerechnet gegen Struffi! Engel und Struff verbindet nämlich eine Besonderheit: Als Struff früher mit Tennisspielerin Nina Zander liiert war, die bei Horst Engel in Nürnberg trainierte, war er bei Besuchen seiner damaligen Freundin an manchen Abenden der Babysitter von Justin Engel. „Ich habe daran keine Erinnerungen, aber Struffi ist ein guter Freund. Ich habe ein paar Mal mit ihm trainiert und musste leider heute gegen ihn spielen. So ist das Tennis“, sagte der Teenager nach dem Match.
Die Partie war ein intensiver Schlagabtausch mit einem Höllentempo. Beide sind große Schwinger, die hart und gerade auf den Ball prügeln können. Und beide verfügen über echte Bretter beim Service. Struff versuchte Engel zu überpowern, aber dieser hielt dem Druck Stand und konnte ein ums andere Mal selbst die Initiative übernehmen. In der Endabrechnung war es Engel, der mehr Asse (11 zu 3), mehr Winner (27 zu 22) und weniger leichte Fehler (28 zu 29) als sein Gegner ablieferte.
Justin Engel: „Mit Philipp habe ich mich verbessert“
Später erklärte der 17-Jährige, dass an dieser spielerischen Entwicklung vor allem sein neuer Coach Philipp Kohlschreiber großen Anteil hat: „Ich habe schon immer große Schwünge gehabt – dann aber Probleme gehabt, wenn es schnell wurde. Wir haben viel an kürzeren Ausholphasen gearbeitet und versucht mehr Winkel zu spielen, dazu neue Aufschlag-Variationen eingebaut. Meine Fußstellung hat sich auch stark verändert. Mit Philipp an meiner Seite habe ich mich auf jeden Fall enorm verbessert.“ Und weiter: „Heute war ich mental sehr stabil, auch wenn es enger wurde.“
Besondere Beziehung: Jan-Lennard Struff hat früher mal auf den kleinen Justin Engel aufgepasst.Bild: Witters / Hamburg ATP Open
Als er das in einem spontan einberufenen Mixed-Zone-Gespräch am Rande des großen Hamburger Centre Courts den Journalisten stehend in die Handymikrofone sprach, grinste er breit. Er vermittelte den Eindruck, als würde er auf Wolke sieben schweben und könne noch nicht ganz fassen, was er da eben geleistet hatte, während im Hintergrund sein Pressesprecher Stefan Hempel und Manager Charly Steeb ebenfalls breit grinsten. Nach Monaten mit vielen Niederlagen zeigte der Sieg gegen Struff vor allem eins: Das „Team Engel“ ist auf dem richtigen Weg.
„Ich habe schon immer gesagt, dass einmal dieser Klick kommen muss – und dann läuft es. Ich habe in den letzten Monaten oft im dritten Satz verloren. Aber ich bin in der Zeit nicht negativ geworden, sondern habe weiter hart an mir gearbeitet. Dann kommt irgendwann auch das Gute“, sagte Engel.
Nun wolle er den Sieg mit seinem Team feiern und sich auf die nächste Runde freuen. Er trifft dann auf Andrey Rublev, langjähriger Top Ten-Spieler und aktuell die Nummer 17 im ATP-Ranking.