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Zurück zum Ur-Trainer? Über 15 Jahre arbeitet Novak Djokovic mit Marian Vajda zusammen.Bild: Getty Images

Trainer im Profitennis: Oft unter Spannung

Professionelle Trainer stehen vor immer komplexer werdenden Herausforderungen. Angemessen gewertschätzt und bewertet wird ihre Arbeit von ihren Chefs, den Profis, nicht immer. Das birgt nicht nur finanzielle Risiken.

Diese Story ist im aktuellen tennis MAGAZIN (2019/1-2) erschienen. Alle weiteren Artikel und das gesamte Heft können Sie HIER bestellen.

Die Nachricht der plötzlichen Trennung von Angelique Kerber und ihrem Trainer Wim Fissette unmittelbar vor den WTA-Finals Ende Oktober 2018 überraschte viele, kehrte die deutsche Nummer eins unter der Anleitung des angesehenen Belgiers doch zurück in die absolute Weltspitze. Im Schlepptau: der alles überragende Wimbledon-Titel. Fissette soll heimlich mit anderen Spielerinnen verhandelt haben, lautet der Vorwurf (lesen Sie HIER mehr). Das Thema Geld spielte wohl auch eine Rolle.

Mittlerweile arbeitet Fissette wieder mit seinem alten Schützling Victoria Azarenka. Kerber präsentierte vier Wochen nach dem Paukenschlag überraschend Rainer Schüttler als neuen Trainer. Mit dem Ausspruch „Alles fängt bei mir an“ lenkte die dreifache Grand Slam-Siegerin die Aufmerksamkeit zu Beginn der Zusammenarbeit auf sich. Dabei sind die Fragen nach der Bedeutung, dem Einfluss und der Schwierigkeiten des Trainerjobs mit die interessantesten im Profitennis – unabhängig von der Personalie Kerber.

 

tennis MAGAZIN hat mit den renommierten Trainern Günter Bresnik, Toni Nadal, Jan de Witt, Torben Beltz und Alexander Waske Herausforderungen ihres Buisness erötert. Etwa das einzigartige Spieler-Trainer-Verhältnis und die damit verbundene Frage, ob es transparentere Verträge zwischen den Parteien geben sollte. Welche Bedeutung haben Trainerscheine im Profitennis? Außerdem: Wie geht es weiter mit dem On Court-Coaching auf der WTA-Tour und warum wird auf der ATP-Tour gar nicht gecoacht? Ganz wichtig: Erhalten Trainer genug Anerkennung?

Günter Bresnik, der sich viele Jahre vor dem Langzeitprojekt Dominic Thiem als Trainer einen Namen auf der Tour erarbeitete (unter anderem betreute er Boris Becker), ist ein Verfechter des Darwinismus, der natürlichen Auslese – in dem Fall von simpler Qualität im Trainerjob. „Wenn du im Dschungel lange genug überlebst, machst du irgendetwas richtig“, sagt er im Gespräch mit tennis MAGAZIN.

Günter Bresnik arbeitete sich als Trainer jahrzehntelang nach oben. Mit seinen Erfahrungen entwickelte er Dominic Thiem vom defensiven Nachwuchstalent zum offensiven Weltklassespieler.

Bresnik: Nicht alle Trainer sind ehrlich zu ihren Schützlingen

Der 57-Jährige weiß nicht nur aus eigener Erfahrung um die Gefahren seiner Branche. Es gibt kaum eine vergleichbare Sportart, in dem der Trainer eigentlich die Chefrolle einnimmt, aber von seinem Schützling bezahlt wird. Kann man da immer ehrlich sein zum betreuenden Profi? „Für die eigene Reputation ist das unabdingbar. Es gibt aber genug Trainer, die das aus Angst vor einem Ende der Zusammenarbeit nicht immer tun“, sagt Bresnik.

Mit gewissen Garantien wollen sich Trainer absichern, etwa, dass bei einer vorzeitigen Trennung von Seiten des Spielers eine Gehaltsfortsetzung für die kommenden Monate folgt. „Eine weitere Option ist, sich die Gehaltsfortsetzung während einer Verletzung zuzusichern“, sagt der heutige Betreiber der Tennis-University in Offenbach, Alexander Waske. In den unteren Regionen seien diese Maßnahmen für die Spieler nicht umsetzbar. „Was bleibt, ist die Freiheit beider Seiten, spontan eine Zusammenarbeit zu beenden. Als Trainer ist es schwer, so ein Leben planen zu können.“ Er entschärft diese Problematik, in dem er seine Akademie-Coaches nach deutschem Arbeitsrecht festanstellt. Gibt es persönliche Differenzen zwischen Spielern und Trainern, haben letztere nichts zu befürchten, wenn sie trotzdem gut arbeiten.

Alexander Waske (li.) coachte unter anderem seinen ehemaligen Doppelpartner Tommy Haas – heute leitet er seine tennis university in Offenbach.

Waske: „Schwer, ein Leben als Trainer planen zu können.“

Außerhalb des absoluten Spitzenbereichs gibt es kaum richtige Verträge. Oftmals ist das einzig Bindende ein E-Mail-Austausch mit den wichtigsten Details. Es wird nur von Quartal zu Quartal entschieden – länger­fristige Engagements werden wegen des engmaschigen Turnierkalenders in den meisten Fällen nicht abgeschlossen. „Dominic Thiem ist einer der wenigen Spieler, mit dem ich einen Vertrag habe. Aber auch mit ihm ist es eher Symbolik“, sagt Bresnik. Anwälte hätten ihm bereits vor Jahrzehnten beigebracht: Ein gut verfasster Vertrag ist so aufgebaut, dass er gebrochen werden kann. Bresnik berichtet, dass auch im Top 50-Bereich überwiegend mündliche Abmachungen gelten. „Es geht aber vermehrt dahin, dass Vorkehrungen nicht direkt mit dem Spieler, sondern mit dem Management getroffen werden“, weiß Bresnik. Der Vorteil: Nach einer schlechten Leistung muss nicht über das Monetäre gesprochen werden.

Apropos Geld: Grundsätzlich erhalten Trainer auf der Profitour einen Mix aus Fixgehalt und Spesen sowie Boni-Zahlungen. „Ich bin ein Feind von großen Fix-Summen für Trainer von Spitzensportlern. Die Bezahlung sollte sich immer nach dem Erfolg des Spielers richten“, sagt Bresnik. Im Spitzenbereich können Trainer so auf hohe sechs- bis niedrige siebenstellige Summen kommen.

In den Regionen darunter ist das Thema komplex. Ein Südamerikaner um Weltranglistenposition 70 lebt fast ausschließlich von seinem Preisgeld – Förderer und Sponsoren hat er nicht. „Trainer und Spieler teilen sich ein Bett, essen im Spielerbereich des Turniers und reisen kostengünstig mit dem Zug an. Da verdient der Trainer kaum etwas“, sagt Bresnik. Dann wird es mitunter zum Existenzkampf. Anders sehe es bei Spielern aus Ländern aus, die mehr vom Verband unterstützt werden und Sponsoren haben.

Die Gehälter könnten unterschiedlicher kaum sein

„Junge Spitzenspieler haben oftmals Ausrüsterverträge, bei denen sie Garantie­zahlungen im niedrigen sechsstelligen Bereich erhalten, obwohl sie noch nicht unter den ersten 100 der Weltrangliste sind. Die können dann natürlich ganz anders zahlen“, sagt der Österreicher. Waske ergänzt: „Wie die Spieler haben auch die Trainer Möglichkeiten, sich durch harte Arbeit und gute Leistungen nach oben zu coachen, um besser zu verdienen.“

Deshalb schaut er in den seltensten Fällen auf die Trainerlizenz seiner Angestellten. Waske: „Im Profibereich sind Qualitäten gefordert, die man in den Ausbildungen nicht lernt: 25 Wochen im Jahr unterwegs zu sein, vollen Einsatz zu zeigen, kaum Freizeit zu haben, soziale Skills im hohen Maße zu entwickeln.“ Wer deutscher Davis Cup-Kapitän werden will, benötigt die A-Lizenz, Waske ist Inhaber der B-Lizenz. Für einen einzelnen Spieler braucht er keine Lizenz. „Die sagen leider fast gar nichts über die Fähigkeit aus, einen Profispieler zu coachen“, urteilt Jan de Witt, der unter anderem die Franzosen Gael Monfills und Gilles Simon parallel betreute und aktuell den Georgier Nikoloz Basilashvili trainiert.

Jan de Witt betreute einst Filles Simon und Gael Monfils zeitgleich.

Jan de Witt: Vergleiche zum Volleyball und Fußball

Der Markt regelt sich selbst. „Trainer sollten die Leistung ihrer Spieler über mittlere und längere Zeit­räume entwickeln und steuern können, ­wissen, wo und wann man sich wie auf dem Platz bewegt, wie die Bewegungsketten ablaufen und wie man entsprechende Veränderungen in kurzer Zeit vornimmt.“ Für ihn sind viele Trainer darauf nicht gut vorbereitet – egal ob Ex-Profi oder nicht. „Mir gefällt, dass im Fußball beim DFB ab der B-Lizenz Qualität und Qualifi­kation nötig sind, um sich für höhere Aufgaben zu qualifizieren“, sagt de Witt, ohne die goldene Idee für das Profitennis zu haben.

Bresnik, der selbst nur einen Lehrwartsschein, die niedrigste Trainerlizenz in Österreich, besitzt, und seine Trainer nach bewährten Erfahrungswerten ausbildet, glaubt an einen Selbstreinigungsprozess. „Leute, die ohne das nötige Wissen Top 100-Spieler trainieren, verbessern wie Animateure nur die gute Laune. Das kann im Tennis ein Faktor sein – aber nur kurzfristig.“ Andere urteilen, dass die Anzahl an unqualifizierten Trainern auf der Damentour ungleich höher ist als bei den Herren. In der Tat betreuen viele Eltern ihre Töchter, Lebenspartner ihre Frauen. Torben Beltz, der Kerber 2016 zu zwei Major-Titeln führte, will nicht pauschalisieren. Er sagt: „Es gibt durchaus Spielerinnen, die einen anerkannten Trainer für ein professionelles Arbeitsverhältnis benötigen. Andere haben Erfolg mit der Familie.“

Toni Nadal, der Onkel und jahrzehntelange Trainer von Rafael Nadal, spricht sich für offenes Coaching aus. „Spieler geben viel Geld für ihre Trainer aus. Und in den allerwichtigsten Momenten dürfen sie nicht reden. Coaching von der Box aus sollte erlaubt sein“, sagt Nadal. Von On Court-Coaching hält der Mallorquiner nichts. De Witt dagegen plädiert für On Court-Coaching, das medienwirksam schon seit mehreren Jahren auf der WTA-Tour erlaubt ist. Beltz sagt: „Ich bin ein großer Befürworter dieser Möglichkeiten. Die Rolle und die Qualität des Trainers wird gestärkt und herausgearbeitet. Mit der richtigen Ansprache, der Weitergabe von wenigen, effektiven Informationen und Anweisungen können wir Matches drehen und einen positiven Turnierverlauf beeinflussen.“

Beltz: „Rolle des Trainers wird beim On Court-Coaching gestärkt“

Torben Beltz coacht mittlerweile erfolgreich Donna Vekic.

Kerber hat dieses Stilmittel oft nach ­einem verlorenen Satz verwendet. Mit Donna Vekic, die der 42-Jährige seit 2018 betreut, geht es früher in die Besprechung. „Sie gibt den Impuls bei engen Spielständen wie 4:3. Sie soll bereit sein für Information. Ich greife nur selten proaktiv ein“, erklärt Beltz. Waske, der selbst Trainerkollegen gerne beim Coaching zuhört, sagt: „Dass es von den Kameras und Lautsprechern eingefangen wird, ist gut für Medien und Fans. Aber es werden natürlich wichtige Informationen an den Gegner für zukünftige Aufeinandertreffen verraten.“ Der ehemalige Doppelspezialist plädiert für eine Zwischenlösung – eine Besprechung nach einem Satz am Rande des Courts.

Aufmerksamkeit, da sind sich alle Trainer einig, erhalten sie ohnehin genug. Der Job wird im Zuge von Social-Media und Digitalisierung kritischer gesehen: die Misstöne zwischen Kerber und Fissette oder Alexander Zverev und Juan Carlos Ferrero, die Storys rund um die Supercoaches Ivan Lendl, Boris Becker oder Stefan Edberg. Der Einfluss wird hinterfragt, es wird kritisiert. Jan de Witt möchte dennoch nicht die Sportart tauschen und wirft das Augenmerk auf die Fußballtrainer. Sie verdienen in der Regel deutlich besser, stehen aber viel mehr in der Öffentlichkeit und werden stärker kritisiert. „In einer komplexen Sportart wie Volleyball gibt es auf höchstem Niveau genauso professionelle Trainer wie im Tennis – nur das die zwei oder drei Jobs nachgehen müssen, um ihre Familie zu ernähren.“ De Witt verweist auf Vital Heynen, der kürzlich mit Polen Weltmeister wurde und wenige Tage später sein Team in Friedrichshafen betreute. „Und da alles gibt. Diese Trainer haben mehr Aufmerksamkeit verdient.“
Verglichen damit ist die Spieler-Trainer-Beziehung im Tennis, zumindest im Spitzenbereich, eine Luxussituation. Ende November 2018 startete Kerber ihre Arbeit mit Schüttler – ob mit oder ohne Nebengeräusche wird sich zeigen.air jordan 1 factory outlet | jordan outlet store orlando florida