Alexander Zverev zurück in Hamburg: „Ich kann diese Positivität gut gebrauchen“
Alexander Zverev tritt bei seinem Heimturnier, den Bitpanda Hamburg Open, an. Dass er sich kurzfristig für eine Teilnahme entschieden hat, kann sich für den 28-jährigen Deutschen zu einem Glücksfall entwickeln.
Es war die große Frage vor Turnierbeginn am Hamburger Rothenbaum. Kommt er, oder kommt er nicht? Eigentlich hatte Alexander Zverev nicht für sein Heimturnier gemeldet, unter anderem, weil aus Sicht des gebürtigen Hamburgers der neue Termin im Mai direkt vor den French Open nicht allzu gut in seine Saisonplanung passt. Der Veranstalter der Bitpanda Hamburg Open, die Agentur Tennium, die seit letztem Jahr das traditionsreichste Tennisturnier in Deutschland veranstaltet, hat in weiser Voraussicht eine Wildcard für Zverev zurückgehalten und landete kurz vor Turnierbeginn einen Coup. Knapp 24 Stunden vor Auslosung des ATP-500-Turniers stand fest: Zverev spielt am Rothenbaum!
Bitpanda Hamburg Open: Alexander Zverev bekommt A+Wildcard
Möglich macht dies die sogenannte A+Wildcard, die Zverev erhält. Doch was genau ist eine A+Wildcard? Am Ende einer Saison wird eine nicht-öffentliche Liste mit Spielern angelegt, die A+Wildcard beantragen können. Die Listen unterscheiden sich je nach Region, aber in der Regel umfassen sie die aktuell acht besten Spieler der Welt. Zverev gehört als langjähriger Top-5-Spieler in diese Kategorie.
Wie schnelllebig die Tennistour ist, zeigt Zverevs Beispiel. Am Mittwochabend scheiterte der gebürtige Hamburger im Viertelfinale beim Masters-1000-Turnier in Rom an Lorenzo Musetti. Zverevs Plan sah zunächst vor, in seine Wahlheimat Monte Carlo zurückzukehren, dort zu trainieren und frühzeitig zu den French Open nach Paris zu reisen, um sich intensiv auf den Höhepunkt der Sandplatzsaison vorzubereiten. Doch wie das Leben nun mal so spielt. Erstens kommt es anders, zweitens anders als man denkt. So saß Zverev am Samstagnachmittag gut gelaunt im Pressecenter der Hamburg Open, kurz nachdem er am Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel gelandet war.
Alexander Zverev: „Das wird eine schöne Woche werden“
„Ich habe es eigentlich nicht geplant. Es war alles sehr, sehr spontan. Ich bin aus Rom zurückgekommen und hatte ein paar Tage frei“, sagte Zverev. Die Entscheidung, doch in Hamburg zu spielen, fiel in intensivem Austausch mit seinem Team und der Agentur Tennium, die am Freitagnachmittag den Coup vermeldete. Ein anderes Turnier außer Hamburg hätte der 28-Jährige direkt vor den French Open sicherlich nicht gespielt. Doch der Rothenbaum ist eine Herzensangelegenheit für Zverev. „Hamburg ist ein Ort für mich, der sehr viele positive Emotionen aus mir rausbringt und etwas mir bringt, was ich jetzt gerade brauche: Positivität und gute Laune. Ich bin hier, weil ich diesen Ort liebe und er meine Heimat ist. Außerdem kann ich diese Positivität und die positiven Emotionen von den Zuschauern sehr gebrauchen, auch für Paris“, sagt der Hamburger.
Guttun wird sicherlich auch, dass Zverev viel Zeit in seinem „alten“ Zuhause im Hamburger Stadtteil Lemsahl verbringen kann. „Wir sind mit der ganzen Familie hier. Alle Kinder sind hier. Das wird eine schöne Woche werden. Ich werde einfach meine Zeit im familiären Umfeld, zu Hause, in meinem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, genießen. Das wird mir guttun“, freut sich Zverev auf seine achte Teilnahme bei seinem Heimspiel.
Hamburger Rothenbaum: Der Ort, an dem alles begann
Der Rothenbaum ist auch der Ort, an dem für Zverev alles begann mit seiner Profikarriere. Im Jahr 2013 erhielt der damals 16-jährige vom Turnierdirektor Michael Stich eine Wildcard für das Turnier und feierte seine Premiere auf der ATP-Tour. Nach dem 3:6, 2:6 gegen Roberto Bautista Agut war Zverev, obwohl er gegen den routinierten Spanier sehr gut mithielt, gefrustet. Es war damals schon ein Indiz dafür, welchen Ehrgeiz Zverev hat und welche Karriereziele er verfolgt.
Ein Jahr später folgte sein Durchbruch als Profi, als er am Rothenbaum als 17-Jähriger sensationell das Halbfinale erreichte. Zverev war auf der großen Tennis-Bühne angekommen. Inzwischen gehört er seit vielen Jahren zur Weltelite. 2023 erfüllte er sich einen Kindheitstraum und siegte bei seinem Heimturnier in Hamburg – als erster Deutscher seit 30 Jahren nach Michael Stich (1993). Im Vorjahr erreichte Zverev erneut das Endspiel und verlor in einem der dramatischsten Finals der Turniergeschichte gegen den Franzosen Arthur Fils.
Alexander Zverev gewann 2023 sein Heimturnier in Hamburg.Bild: Imago/Justus Stegemann
Wie stehen die Aussichten auf einen weiteren Titelgewinn in Hamburg? Die Auslosung hat es gut gemeint mit Zverev. In der ersten Runde wartet ein Qualifikant, in der zweiten Runde erneut ein Qualifikant oder der Franzose Alexandre Muller. Die gefährlichen und starken Sandplatzspieler finden sich vermehrt in der unteren Turnierhälfte mit Sebastian Baez, Alejandro Davidovich Fokina und Francisco Cerundolo, gegen den Zverev alle drei Matches auf Sand verlor. In Hamburg geht es für Zverev nicht darum, nur etwas Spielpraxis für die French Open zu sammeln. „Ich werde nicht ein Turnier spielen, ins Viertelfinale kommen und sagen, dass es mir dann reicht. Das habe ich noch nie gemacht. Ich bin hier, um so viele Matches wie möglich zu gewinnen. Das Finale ist am Samstag, ich könnte dann immer noch zwei Tage frei haben und mich auf Paris vorbereiten. Das reicht“, blickt Zverev voraus.
Alexander Zverev: Mit großem Selbstvertrauen zu den French Open?
Die kurzfristige Teilnahme an seinem Heimturnier könnte sich für Zverev zu einer sehr guten Entscheidung entwickeln. Zum einem kann er die 330 Weltranglistenpunkte durch die Finalteilnahme aus dem Vorjahr, die ihm im Juli sonst aus der Wertung gefallen wären, kompensieren und mit einem starken Resultat seine Ausgangsposition, dieses Jahr doch noch die Nummer eins der Welt zu werden, etwas verbessern. Zum anderen könnte er mit einem großen Erfolgserlebnis zu den French Open reisen. Denn genauso wichtig wie eine gute Vorbereitung auf ein Grand-Slam-Turnier ist das Selbstvertrauen, mit dem man in solch ein Major-Turnier geht.
Es gibt aus der Vergangenheit einige Beispiele von Spielern, die in der Woche vor den French Open ein Turnier gespielt und gewonnen haben, dann mit großem Selbstvertrauen zu den French Open angereist sind und dort auch sehr erfolgreich waren. So siegte in Casper Ruud im Jahr 2023 beim ATP-Turnier in Genf, reiste anschließend nach Paris, um bei den French Open erstmals ein Grand-Slam-Finale zu erreichen. Gleiches gilt für Dominic Thiem im Jahr 2018: zunächst Turniersieg in Lyon, direkt danach Finale bei den French Open. Sowohl Ruud als auch Thiem scheiterten damals nur am übermächtigen Rafael Nadal. Novak Djokovic siegte im Jahr 2021 in der Woche vor den French Open bei seinem Heimturnier in Belgrad und sicherte sich anschließend auch den Titel in Roland Garros. Ein möglicher Turniersieg in Hamburg könnte Zverevs Aussichten auf seinen ersten Grand-Slam-Titel in Paris deutlich verbessern.