Zverev vor US Open: „Wer die Besten besiegt, hat es auch verdient”
Nach einem turbulenten Sommer reißt Alexander Zverev mit neuem Selbstvertrauen zu den US Open. Wir werfen einen Blick auf seine aktuelle Form, die Herausforderungen der letzten Zeit und wie realistisch seine Chancen auf den langersehnten Grand-Slam-Titel stehen.
Rückblick: Wimbledon als Wendepunkt
Vor zwei Monaten sprach Alexander Zverev nach seiner Erstrundenniederlage in Wimbledon gegen den Franzosen Arthur Rinderknech so offen wie selten zuvor über seine mentale Verfassung. „Ich habe mich noch nie so leer gefühlt“, gestand die deutsche Nummer eins damals in der Pressekonferenz und berichtete erstmals von der Überlegung, sich professionelle therapeutische Hilfe zu suchen.
Zverevs ehrliche Worte lösten in der Tenniswelt Diskussionen über Druck und mentale Gesundheit im Spitzensport aus. Heute blickt der Hamburger optimistischer in die Zukunft. „Ich habe professionelle Hilfe, und ich bin sehr glücklich damit“, erklärte er nun. Gleichzeitig betonte er, dass es sich dabei nicht um eine kurzfristige Lösung handle: „So etwas ist nicht in zwei Wochen vorbei. Das ist ein Prozess, der Jahre dauert.“
Diskussion um das Trainerteam
Nach enttäuschenden Grand-Slam-Auftritten in Paris und Wimbledon forderten Experten öffentlich Veränderungen in Zverevs Umfeld. Eurosport-Expertin Barbara Rittner schlug sogar vor, Boris Becker könne Zverev künftig als Trainer unterstützen: „Ich weiß, ich mache mich im Camp Zverev damit nicht beliebt. Aber vielleicht holt er sich doch von außen mal einen Impuls. Ich hätte da einen Vorschlag … .“
Becker selbst deutete an, dass Zverevs familiäre Struktur, bei der Vater Alexander Sr. und Bruder Mischa das Kernteam bilden, eine Herausforderung für externe Coaches darstellt: „Er hatte Lendl, Ferrero, Ferrer und Bruguera – aber immer eingebettet zwischen seinem Vater und seinem Bruder.“
Zverev reagierte zurückhaltend und stellte klar, dass er weiterhin Vertrauen in sein Team hat: „Wenn es bei mir gut läuft, mache ich alles richtig. Wenn es schlecht läuft, sind plötzlich alle sehr schlau. Da gehört Boris leider dazu.“
Trainingslager auf Mallorca
Während seiner Turnierpause nach Wimbledon holte sich Zverev jedoch bewusst neue Perspektiven. Zehn Tage verbrachte er in der Rafael Nadal Academy auf Mallorca, wo er sich nicht nur für die anstehenden Turniere in den USA fit hielt, sondern auch direkte Ratschläge von Nadal und dessen Onkel Toni bekam. In mehreren Videos war Zverev beim Training mit Toni Nadal zu sehen, was zu Spekulationen über eine längerfristige Zusammenarbeit führte.
Eine dauerhafte Partnerschaft kam aufgrund von Zeitgründen Nadals zwar nicht zustande, doch Zverev blickt positiv auf die Zeit zurück: „Rafa hat jahrelang die Besten besiegt, mittlerweile sieht er das Spiel als Zuschauer. Er kann mir die besten Ratschläge geben. Toni hat es als Trainer erlebt. Es war der richtige erste Schritt.“
Fokus auf die US Open
Nun liegt die Konzentration voll auf den US Open. Beim 39. Grand-Slam-Anlauf will Zverev endlich den großen Wurf schaffen. Auch wenn er nicht zu dem direkten Favoritenkreis gehört und vor allem Carlos Alcaraz sowie Jannik Sinner in Topform sind, scheut sich Zverev nicht vor dem Aufeinandertreffen gegen die beiden. „Wenn ich meinen Traum erfülle, dann am liebsten gegen Carlos im Halbfinale und Jannik im Finale. Wer die Besten besiegt, hat es auch verdient“, sagte er selbstbewusst.
Gesundheitliche Fragezeichen
Trotz starker Leistungen bei den Masters in Toronto und Cincinnati sind Zverevs körperliche Voraussetzungen ein Thema. In Cincinnati hatte er im Halbfinale gegen Alcaraz sichtbar mit der extremen Hitze zu kämpfen. Als Diabetiker sind derartige Bedingungen für ihn besonders herausfordernd. Hinzukommen seit zwei Monaten anhaltende Rückenbeschwerden, die ihn auch in New York begleiten. Schmerzmittel sollen helfen, die Turnierwochen durchzustehen.
Ein Kräftehaushalt über die gesamte Dauer des Grand-Slam-Turniers ist für Zverev entscheidend. Um Energie für mögliche Duelle mit den Topstars zu sparen, gilt es, die ersten Runden möglichst souverän zu bestreiten. Mit einem Augenzwinkern fügte er dennoch hinzu: „Also, wenn die zwei (gemeint sind Jannik Sinner und Carlos Alcaraz) in der ersten Runde verlieren und ich spiele im Finale gegen die Nummer 50: Klar, unterschreibe ich sofort.“
Medvedev und Tsitsipas in der Krise
Auch die Formkrisen von Daniil Medvedev und Stefanos Tsitsipas waren Thema auf der Pressekonferenz. Medvedev verlor bereits in der ersten Runde der US Open in einem Fünf-Satz-Krimi gegen Benjamin Bonzi. Damit endet für den US-Open-Sieger von 2021 ein katastrophales Grand-Slam-Jahr, in dem er nur einen einzigen Major-Sieg verbuchen konnte.
Tsitsipas steht zwar noch im Turnier, doch auch der Grieche erlebt eine schwierige Saison und konnte bei den letzten fünf Grand Slams lediglich zwei Matches gewinnen. Zverev zeigte sich empathisch und erinnerte an eigene schwierige Phasen: „[Diese Zeiten] gibt es. Ich hatte sie auch, als ich alle zweiten Aufschläge aus den Stadien geknallt habe. Daniil und Stefanos sind sofort wieder in den Top Ten, wenn sie ihre jeweiligen Phasen hinter sich haben.“
Neue mentale Stärke
Zverevs ehrlicher Umgang mit seinen Herausforderungen hilft ihm sowohl menschlich als auch sportlich. Rückblickend auf das frühe Aus in Wimbledon sagte er: „Natürlich will ich nicht in der ersten Runde scheitern; aber alles, was passiert ist, hat mich auf den Weg geführt, auf dem ich nun bin.“
Mit einem Mix aus Gelassenheit und Ehrgeiz geht Alexander Zverev in die US Open. Die Vorbereitungen auf Mallorca, die ehrlichen Gespräche über seine mentale Gesundheit und die zuletzt gezeigten Leistungen haben ihm neues Selbstvertrauen gegeben. Nun will er bei seinem 39. Grand-Slam-Antritt seinen Traum endlich erfüllen.