Michael Berrer

Bild: Paul Zimmer

Michael Berrer: „Ich möchte Menschen mental stärker machen”

Im Interview mit tennis MAGAZIN spricht der Ex-Profi Michael Berrer über seine Zeit nach der Profikarriere und neue Ziele. Vor allem geht es ihm darum, dem Nachwuchs das Rüstzeug an die Hand zu geben, um bessere Leistungen abzurufen.

Erschienen in der tennis MAGAZIN-Ausgabe 4/2020

Herr Berrer, Sie haben 2016 Ihre Karriere mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft in Biberach beendet. Was ist seitdem passiert?

Die letzten drei Jahre waren extrem spannend und ich habe viel Neues gelernt. Seit knapp zwei Jahren begleite ich sowohl Großunternehmen als auch Mittelständler und Start-ups als Unternehmenscoach. Es ist faszinierend zu erleben, dass Tennisprofis und die Menschen in den Unternehmen sehr ähnliche Herausforderungen haben.

Welche sind das? 

Es geht darum, Leistungen zu erbringen und dafür braucht man mentale Stärke. Sie bestimmt in starkem Maße unseren Erfolg. Das zeigen viele wissenschaftliche Studien und belegt die tagtägliche Praxis. Im Tennis verlieren wir nur selten, weil wir technisch unterlegen oder körperlich nicht fit genug sind. Vielmehr sind es unser Kopf, unsere Einstellung und unser Verhalten, die über Sieg oder Niederlage entscheiden.

Worin sehen Sie Ihre Aufgabe?

Meine Herzensangelegenheit ist es, Erfolgsfaktoren von mentaler Stärke und Einstellung an die Jugend und ambitionierte Spieler und Spielerinnen weiter zu geben. Denn – und davon bin ich fest überzeugt – sie sind absolute „Game Changer“.   

Sie haben 17 Jahre lang Profitennis gespielt, gehörten zu den besten 50 Profis weltweit. Sie haben Rafael Nadal, Milos Raonic und Tomas Berdych geschlagen. Was ist es, was Sie dabei besonders gelernt haben?

Vier Fähigkeiten sind essentiell für Erfolg – und das nicht nur im Tennis: Langfristmotivation, Widerstandsfähigkeit, Fokus und Teaming. Das bedeutet im Einzelnen, dass man voller Motivation und Tatendrang sein muss, niemals aufgeben darf, mit Rückschlägen umgehen muss, auf den Punkt Leistung abrufen und sich ein Umfeld aufbauen muss, das einen inspiriert, motiviert und Energie gibt. 

Was genau können sich junge Spieler von Ihnen abschauen und wie können sie Ihre Erfahrungen nutzen, um besser zu werden?

Im Laufe meiner Karriere habe ich viele Niederlagen und Rückschläge eingesteckt – wie es auch vielen anderen Tennisspielern – egal, in welcher Spielklasse – ergeht. Wenn man als Profi nicht gerade den Titel holt, verliert man jede Woche auf der Tour. Bei einem Grand Slam-Turnier gibt es 127 Verlierer. Mein Weg in die Weltklasse ging bei mir alles andere als über Nacht von statten. Aber ich habe mich stetig verbessert. Mein Motto: Jeden Tag ein bisschen besser werden – mit Disziplin, Kampfgeist und Fleiß. Das hat mir immer geholfen. Und das macht stark.

Inwieweit hat Ihnen geholfen, dass Sie parallel zu Ihrer Tenniskarriere Sportpsychologie studiert haben?

Massiv. Ich wollte Erfolge und Niederlagen verstehen. Im Sport und auch in Unternehmen entscheiden über Erfolg oder Misserfolg der eigene Kopf, die eigene Einstellung und die eigenen Emotionen mehr als alles andere. Mut gibt Selbstvertrauen. Dankbarkeit wirkt wie ein Immunsystem bei Niederlagen. Klarheit ist Power und hilft, die wirklich wichtigen Punkte zu machen. Das Gute ist: Mentale Stärke kann man trainieren. Ebenso wie den perfekten Aufschlag oder Volley. Üben lohnt sich, um technisch und mental besser und leistungsstärker zu werden. Mentales Training ist immer noch vergleichsweise wenig etabliert, aber wir erleben ein Umdenken. Matteo Berrettini ist ein Paradebeispiel. Bei seinem Sieg beim Mercedes Cup 2019 wurde er von seinem langjährigen Sportpsychologen begleitet, der zusätzlich zu seinem Coach fester Bestandteil in seinem Team ist. Er arbeitet systematisch und kontinuierlich an seinen mentalen Fähigkeiten. Man spürt seine enorme Präsenz und Kraft, die sich auf seine Gegner auswirkt und die man auch als Zuschauer wahrnimmt. 

Können Sie anhand konkreter Beispiele verdeutlichen, wie man besser wird? 

Wenn wir beispielsweise auf Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic schauen, die das Herrentennis seit Jahren dominieren, sieht man, dass sie sich kontinuierlich weiterentwickeln. Ihr Spiel heutzutage unterscheidet sich stark von dem, wie sie noch vor einigen Jahren gespielt haben. Sie hinterfragen sich kontinuierlich und experimentieren in allen Bereichen. Gutes wird übernommen und als Routine eingeübt. Was nicht funktioniert, wird abgeschafft und ersetzt. Genau dieses Experimentieren ist es im Übrigen auch, was erfolgreiche Start-ups tun und vielen Unternehmen beispielsweise bei Digitalisierungsinitiativen und im Innovationsbereich helfen kann, um schneller und effektiver zu werden. Dazu kommt: Top-Tennisspieler denken immer im Gesamtsystem und stellen sich die Frage: Was sind die Auswirkungen einzelner Anpassungen für das Gesamte?

Djokovic & Co. sind aber Lichtjahre von den normalen Spielern entfernt.

Trotzdem kann man sich etwas abgucken. Zum Beispiel, wie perfekt sie sich vorbereiten. Ich predige den Nachwuchsspielern immer: seid pünktlich. Die meisten kommen zwei Minuten vor dem Training in die Halle, legen ihr Smartphone dann erst aus der Hand. Im Idealfall geht das Training schon 40 Minuten vor der Einheit auf dem Platz los. Dann ist das Handy aus, das lenkt nur ab. Man muss die volle Aufmerksamkeit aufs Training richten, sich in Ruhe umziehen, ein intensives Warm-up machen. Auf dem Platz selbst geht es darum, die Zeit perfekt zu nutzen. Um all das zu schaffen, braucht man kein Talent. Es gibt noch einen wichtigen Punkt.

Verraten Sie ihn uns.  

Ich erlebe, dass die Nachwuchsspieler immer nur Highlights schauen, nur die Topshots. Sie vergessen, dass Tennis nicht durch Winner, sondern durch Percentage-Tennis entschieden wird. Auch Djokovic und Co. spielen 80 Prozent durch die Mitte oder auf große Ziele. Durch die Hotshots der ATP aber wird suggeriert: Es gibt nur Sensationsschläge. Mich macht nachdenklich, dass ich mehr Leidenschaft und Emotion auf den Platz bringe als hochtalentierte Spieler, die halb so alt sind wie ich. Es kann auch nicht sein, dass ich am Ende noch gewinne. Mir fehlt oft die Leidenschaft bei der jungen Generation. Dieses „Hey, es gibt nichts Geileres, als auf dem Platz zu stehen und sich mit dem Gegner einen Fight zu liefern!“ 

Am Donnerstag, 30. Juli 2020 um 19 Uhr, findet ein tennis MAGAZIN-Webinar im Livestream auf Facebook und YouTube mit Michael Berrer zum Thema „Mentale Stärke im Tennis” statt. Alle Infos hier!

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Michael Berrer

Vita Michael Berrer

17 Jahre hat der Stuttgarter als Profi auf der Tour gespielt. Er war die Nummer 42 der Welt, Deutscher Meister 2016 und Davis Cup-Spieler. Bei den BMW Open 2008 in München gewann er gemeinsam mit Rainer Schüttler das Doppel. Im Einzel erreichte er zweimal (2010, 2011) das Finale beim ATP-Turnier in Zagreb. Parallel zu seiner Tenniskarriere studierte er Sportpsychologie. Berrer (39) ist ausgebildeter systemischer Coach und Change Manager. Mit diesem Knowhow-Paket unterstützt er Sportler, Unternehmer und ganze Organisationen dabei, mental stark zu werden. Beim Mercedes Cup in Stuttgart ist er Turnierbotschafter.The Global Destination For Modern Luxury | Yeezys – Jordans, Musee-jacquemart-andre News, Jordan Essentials Statement Hoodie – release dates & nike.