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Mail aus Melbourne: Nacht-Mythos Murray

Ein Künstler und Kämpfer mit künstlicher Hüfte. Viel ist in diesen Tagen von Verletzungen bei Tennis-Stars die Rede. Rafael Nadal ist mal wieder verletzt (an der Hüfte) ausgeschieden. Novak Djokovic humpelt bei bisher jedem Spiel zumindest zeitweise mit schmerzendem Oberschenkeln über den Court. Roger Federer hörte 2022 auf, weil er die vielen Verletzungen nicht mehr wegstecken und/oder komplett auskurieren konnte. Alexander Zverev versucht nach siebenmonatiger Verletzungspause ein Comeback. Wie schwer das wird, das zeigte sich bei der Niederlage in der zweiten Runde hier in Melbourne gegen den US-Amerikaner Michael Mmoh.

Und dann gibt es die Geschichte von Andy Murray. 35 Jahre alt. 46 Turniersiege. Wimbledon- und Olympiasieger. 2016 noch Nummer eins der ATP-Weltrangliste. Aber in den vergangenen Jahren öfter am Rande der Sportinvalidität als am Rande großer Sieg auf dem Tennisplatz. Daher 2018 nur noch auf ATP-Rang 260.

Murray: „Ich habe ein großes Herz“

Er hat seit 2019 eine künstliche Hüfte, konnte zeitweise kaum laufen. Trotzdem wollte er spielen, gab nie auf. „Ich habe ein großes Herz“, sagte er gestern nach seiner triumphalen Nachtschicht. In der australischen Nacht auf Freitag gewann er nach 0:2-Satzrückstand den Fünf-Satz-Krimi gegen den Lokalmatador Thanasi Kokkinakis mit 4:6, 6:7, 7:6, 6:3 und 7:5.

Die Partie endete um 4:05 Uhr morgens. Zwar hält Murray derart späte Spielansetzungen für „eine Farce“, aber er lässt sich von derlei Ungemach nicht stoppen. Zur Belohnung hat der Schotte wieder Geschichte geschrieben.

Murray ist als einziger Profi zum dritten Mal vertreten in den Top Ten der am spätesten beendeten Begegnungen. Hier auf Platz eins übrigens: Alexander Zverev, der 2022 in der ersten Runde in Acapulco beim Sieg gegen Jenson Brooksby bis 4:54 Uhr morgens auf dem Platz stand.

Es ist bezeichnend, dass Murray all diese Nacht-Duelle gewann. Das ist ein weiterer Beleg dafür, welch ein Mentalitätsmonster der Schotte ist. 2018 hatte er beim Drittrunden-Spiel in Washington den Matchball gegen Marius Copil um 3:02 Uhr nachts verwandelt. Den Deutschen Philipp Kohlschreiber (hat im Vorjahr seine Karriere beendet)  hatte er 2015 in der zweiten Runde in Madrid um 2:59 Uhr bezwungen.

Kurioserweise ist Murray durch seinen neuerlichen Nacht-Coup weiterhin hier in Melbourne gegen Australier ungeschlagen. Und das alles gelang ihm in einer Jubiläums-Partie: Murray stand zum 250. Mal in einer Match bei einem Grand Slam-Turnier auf dem Platz (Siegesbilanz nun 198:52). Wie viele kommen noch dazu?

Murray gegen Bautista-Agut – wie 2019

In der dritten Runde bei den Australian Open wartet nun mit dem Spanier Roberto Bautista Agut (34) der 24. der Weltrangliste auf Murray. Von sechs Partien gewann jeder bisher dreimal. Hier in Melbourne hatte Murray 2019 gegen den Spanier verloren. Und danach war eigentlich jeder davon ausgegangen, dass er nie mehr in Melbourne auflaufen würde. Denn vor dem Start der Australian Open 2019 hatte Murray sein Karriereende angekündigt: Er würde nach dem Wimbledon-Turnier 2019 zurücktreten.

Es kam bekanntlich anders. Vier Jahre später ist Marathon-Mann Murray immer noch da. Und er läuft und läuft und läuft. Mehr als neun Stunden musste er dafür ackern, dass es nun zum Re-Match gegen Roberto Bautista Agut hier in Melbourne kommt.

Es ist verrückt! Sir Andy Murray begeistert derzeit so beeindruckend, dass in Schottland schon gefragt wird: „Kann man eigentlich zweimal zum Ritter geschlagen werden?“ Das geht nicht. Aber nun geht es für Murray um seinen 50. Sieg bei den Australian Open. Diese Leistung wäre ritterlich genug.

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