Denis Shapovalov

INDIAN WELLS, CA - MARCH 10: Denis Shapovalov of Canada celebrates a point during his match against Pablo Cuevas of Uruguay during the BNP Paribas Open at the Indian Wells Tennis Garden on March 10, 2018 in Indian Wells, California. (Photo by Adam Pretty/Getty Images)

Denis Shapovalov: Kanadischer Kracher

Denis Shapovalov ist ein großes Versprechen für die Zukunft im Herrentennis. Der Kanadier arbeitet sich im ATP-Ranking Stück für Stück nach oben. Ein besonderes negatives Ereignis wird ihn wohl über seine gesamte Karriere hinweg begleiten. 

Als Denis Shapovalov zum ersten Mal weltweite Schlagzeilen produzierte, waren das keine guten. Anfang Februar 2017 spielt Kanada in der ersten Runde des Davis Cups in Ottawa gegen Großbritannien. Es läuft die fünfte Partie des Wochenendes zwischen Shapovalov und Kyle Edmund. Es ist die entscheidende. Shapovalov, damals noch 17, liegt 0:2 nach Sätzen hinten, als ihn Anfang des dritten Durchgangs der Frust überkommt. Er feuert blindlings einen Ball quer durch die Halle. Das dumme nur: Er trifft Stuhlschiedsrichter Arnaud Gabas aus Frankreich mit voller Wucht im Gesicht. Der erleidet einen Augenhöhlenbruch und muss später sogar operiert werden. Das Video dieser Szene geht in den sozialen Netzwerken „viral“, wird hunderttausendfach geklickt. Nachdem sich Gabas einigermaßen von dem Volltreffer berappelt hat, disqualifiziert er Shapovalov. Später belegt ihn die ITF zusätzlich mit einer Geldstrafe von 7.000 Dollar. Kanada muss in die Relegation. Rumms!

Shapovalov ist selbst am meisten geschockt von dem, was er da angerichtet hat: „Mein Verhalten war nicht akzeptabel. Ich schäme mich. Es tut mir für meine Mannschaft und für mein Land leid.“ Sein Teamkollege Vasek Pospisil nimmt ihn in Schutz: „Niemand ist netter oder benimmt sich mit 17 Jahren besser als Shapovalov.“ Für alle, die ihn bis dato noch nicht kannten, ist das eher schwer zu glauben. Ein neuer Rüpel auf der Tour? Dass er im Jahr zuvor die Juniorenkonkurrenz in Wimbledon gewann, bekommen vergleichsweise wenige mit.

Hype in Montreal

Knapp sieben Monate nach dem Vorfall: Wieder ist Shapovalov in aller Munde. Es ist Montag, der erste Turniertag der US Open 2017. Nachdem sich Shapovalov über die Qualifikation erstmals aus eigener Kraft in ein Grand Slam-Hauptfeld gekämpft hat (in Wimbledon erhielt er eine Wildcard), bestreitet er sein Erstrundenmatch gegen Daniil Medvedev. Anfrage bei ITF-Mann Nick Imison im Pressezentrum im Bauch des Arthur Ashe Stadiums. Imison koordiniert die Interviewanfragen für die Profis während der Grand Slams. „Gibt es eine Chance, nach dem Match mit Denis Shapovalov zu sprechen?“ Antwort: „Oh, du bist bereits der sechste, der anfragt.“ Zum Verständnis: Nach den verpflichtenden Pressekonferenzen im Anschluss an die Partien absolvieren die Profis, ausgenommen der Topstars, in der Regel höchstens noch ein bis zwei Einzelgespräche.

Ein Hype um einen 18-Jährigen ist entstanden. Was war passiert? Bei seinem Heimturnier in Montreal, kurz vor den US Open, zieht er als Nummer 143 der Welt ins Halbfinale ein. Das gelang bei einem Masters1000-Event noch keinem Jüngeren, seit die Turnierkategorie 1990 eingeführt wurde. Auf dem Weg dorthin schlägt er Juan Martin del Potro und Rafael Nadal und verhindert nebenbei dessen vorzeitige Rückkehr auf Rang eins. Erst Alexander Zverev stoppt Shapovalovs Lauf.

Denis Shapovalov

Denis Shapovalov nach seinem Sieg gegen Rafael Nadal beim Masters-Turnier in Montreal.

Shapovalov wird alles zugetraut

Zu diesem Zeitpunkt und auch nicht am Tag der Interviewanfrage ist abzusehen, dass die Reise des Linkshänders noch bis ins Achtelfinale der US Open andauern wird – inklusive eines unverschämt souveränen Dreisatz-Sieges gegen Jo-Wilfried Tsonga auf dem größten Centre Court der Welt. Nach dem Match sagt er: „Ich weiß nicht wie, aber ich habe es irgendwie hinbekommen, locker zu bleiben. Ich musste zwischendurch einfach nur grinsen.“

Ein Gespräch mit Shapovalov kommt an diesem Montag also nicht zustande. Dafür ein nicht weniger informatives mit dem deutschen Tourcoach Jan de Witt. Er trainiert den französischen Routinier Gilles Simon, ist bestens vernetzt auf der Tour. Und er hat den jungen Kanadier hautnah erlebt. In der Saisonvorbereitung war er gemeinsam mit dem Gespann Günter Bresnik/Dominic Thiem und einigen anderen Spielern im Trainingslager auf Teneriffa. Ebenfalls mit dabei: Denis Shapovalov. Frage: „Was trauen Sie Shapovalov in seiner Karriere zu?“ Antwort: „Alles!“ De Witts Eindruck von Shapovalovs Persönlichkeit? „Der Junge ist klasse, sowas von freundlich und positiv gelassen.“ Und der Vorfall im Davis Cup? „Ich habe die Szene gesehen und konnte nicht glauben, dass ihm das passiert ist. Die Aktion passt überhaupt nicht zu ihm.“

Offensiv und kreativ

In der Tat: Wer ihn bei den US Open näher verfolgte, beim Training, bei Pressekonferenzen oder bei seinen Matches, der musste den Eindruck von einem unbeschwerten Teenager gewinnen, der alles, was um ihn herum passiert, genießt und komplett gelassen sieht. Von Rüpel keine Spur – weder auf noch neben dem Platz. Er habe aus dem Vorfall seine Lektion gelernt, sagt der langhaarige Blondschopf. „Es hat mir geholfen, erwachsener zu werden. Ich bin jetzt ein anderer Mensch und ein anderer Spieler.“ Genauer gesagt: der beste 18-Jährige Tennisspieler der Welt.

Zu Beginn des Jahres hatte sich Shapovalov zum Ziel gesetzt, die Top 150 zu knacken. „Das wäre ideal“, sagt der Youngster damals. Wenn er das nicht schaffe, sei er auch nicht allzu besorgt. Nach den US Open wird „Shapo“, wie sein Spitzname lautet, satte 99 Weltranglistenplätze weiter oben geführt. De Witts Urteil: „Er spielt offensiv und kreativ. Und er ist einer der wenigen neuen Profis, die eine einhändige Rückhand spielen und dies sehr ordentlich tun.“ Diese Tatsache hat Shapovalov seiner Mutter Tessa zu verdanken. „Viele Leute haben mir damals gesagt, ich solle ihm das nicht antun, es sei zu anspruchsvoll in dem Alter“, sagte Mama Shapovalova über die Umstellung der Rückhand ihres Juniors. Da war Shapovalov acht.

Mutter Tessa führt Shapovalov zum Tennis

Ohnehin hat er seiner Mutter das meiste zu verdanken. Tessa Shapovalova war selbst eine professionelle Tennisspielerin in der ehemaligen Sowjetunion und nahm Denis von klein auf mit auf den Court. Als der Eiserne Vorhang fiel, verließen Tessa und ihr Mann Viktor, ein früherer Volleyballspieler, ihr Heimatland Russland und wanderten nach Tel Aviv, Israel, aus. Wegen der politschen Unruhen zog die Familie nach einigen Jahren weiter nach Kanada. Das war 1999 und Denis nicht mal ein Jahr alt. „Ich sprach kaum Englisch, mein Mann gar nicht. Aber nach zwei Wochen hatte ich einen Job als Tennislehrerin“, erinnerte sich Frau Shapovalova an die bewegte und bewegende Zeit.

Denis Shapovalov

Denis Shapovalov gewann 2017 zwei ATP-Awards: den ATP Star of Tomorrow und den Most Improved Player.

Mehr als zehn Jahre arbeitet Tessa als Tennistrainerin im Richmond Hills Country Club nahe Toronto. 2012 eröffnet sie eine eigene Tennisschule namens „Tessa Tennis“ in Vaughan, um ihrem Sohn mehr Trainingszeiten zu ermöglichen. Vater Viktor führt die Geschäfte, Tessa steht als Chefcoach auf dem Platz. Während sein drei Jahre älterer Bruder Evgeniy kein Interesse am Tennis zeigt, ist Denis wie verrückt danach. „Nachdem er mit fünf Jahren erstmals ein Racket in die Hand nahm, bekam ich ihn nicht mehr vom Court herunter“, sagt seine Mutter.

„Er hat Eis in den Venen”

Als Denis in die Pubertät kam, baute sie schrittweise ein Team um ihn herum auf. Als erstes kam Trainer Adriano Fuorivia hinzu. Anfang des Jahre übernahm Kanadas Davis Cup-Coach Martin Laurendeau die ständige Betreuung als Headcoach. Der Ex-Profi sagt: „Denis fühlt sich wohl wie ein Fisch im Wasser, wenn er auf den großen Courts gegen große Spieler antreten darf. Ich weiß nicht, ob man so etwas lernen kann.“ Es ist diese Unerschrockenheit, die viele Beobachter begeistert. Wayne Gretzky, Kanadas berühmtester Sportheld, sagt: „Große Athleten wollen auf die große Bühne. Ich glaube, er ist einer der Jungs, die den Druck lieben. Er hat Eis in seinen Venen.“ Wer könnte das besser beurteilen, als der ehemalige Eishockey-Star?

Benjamin Ebrahimzadeh beobachtet Shapovalov schon länger. Der Sportliche Leiter der Mouratoglou-Academy sagt: „Die Kanadier haben mit ihm und Felix Auger-Aliassime zwei Ausnahmetalente, die in dem Alter herausstechen.“ Sie errangen 2015 Kanadas ersten Davis Cup-Titel im Juniorenbereich – im Finale gegen das deutsche Team mit Marvin Möller und Nicola Kuhn, der inzwischen für Spanien spielt. Von Denis „the Tennis Menace“ ist in den kanadischen Medien schon die Rede. Die „Bedrohung“ also. Die gilt aber nur noch für seine Gegner, nicht mehr für die Schiedsrichter. Shapovalov hat zuletzt hart daran gearbeitet, positive Schlagzeilen zu liefern. Es werden bestimmt nicht die letzten gewesen sein.cheapest air jordan 1 high colorways | cheap air jordan 1 reps