Public, Roland-Garros 2024, Photo : Pauline Ballet / FFT

Gehören zum Roland Garros-Programm: Nightsessions auf dem Court Phlippe Chatrier. Bild: FFP

Nightsessions in Roland Garros: „Was der Verband macht, ist eine Schande“

Nightsessions gehören seit 2021 zum Spielplan der French Open. Doch jedes Jahr aufs Neue entfachen sich an ihnen hitzige Diskussionen.

Die Fakten sind mehr als eindeutig: 2021 führten die French Open Nightsessions auf dem Court Philippe Chatrier ein, dem größten Platz im Stade Roland Garros. Seitdem wurden bislang 45 „Nachtmatches“ in Paris ausgetragen (Stand: 28. Mai), aber nur viermal stand ein Damenmatch auf dem Abendprogramm für das Pariser Publikum.

2021 ist dabei das einzige Jahr, in dem es zwei Nightsessions mit Damenbeteiligung gab. Serena Williams und Irina Camilla Begu bestritten die allererste Nachtschicht in der Geschichte von Roland Garros (Williams gewann 7:6, 6:4). Danach durften noch Iga Swiatek und Martha Kostyuk ran (Swiatek siegte 6:3, 6:4). 2022 schlug unter dem Fluchtlicht des Chatriers Alize Cornet Jelena Ostapenko 6:0, 1:6, 6:3. 2023 folgte ein nächtlicher Sieg von Aryna Sabalenka gegen Sloane Stephens (7:6, 6:4). 2024 gab es keine einzige Damenpartie zur Abendstunde; 2025 bislang ebenfalls nicht.

Natürlich ist dieses Ungleichgewicht in einem Sport, der es sich selbst auf die Fahnen geschrieben hat, im Sinne der Gleichberechtigung zu handeln, schwer vermittelbar – insbesondere für die Spielerinnen selbst. Jedes Jahr aufs Neue entflammen Diskussionen darüber, warum die Herren derart bevorzugt werden.

Nightsessions in Paris sind anders

Das Problem: Anders als bei den Nightsessions in New York oder Melbourne besteht die Abendschicht in Paris nicht aus zwei Partien, sondern nur aus einem Match. Weil nun die Herren bei den Grand Slam-Turnieren „Best-of-Five“ spielen, die Frauen aber „Best-of-Three“ trauen sich die Veranstalter kaum noch, eine Damenpartie am Abend anzusetzen, weil diese einfach zu schnell vorbei sein könnte. Den zahlenden Fans, die ihre teuren Nightsession-Tickets (ab 120 Euro aufwärts!) nur für ein Match kaufen, wäre ein glatter Zwei-Satz-Sieg kaum zuzumuten.

Nightsession

Hingucker: Wann sind die Matches der Nightsession wirklich attraktiv?Bild: Imago

Aber warum wird die Nightsession dann nicht einfach verlängert? Tatsächlich begann die Spätschicht in Paris zu Beginn ihrer Einführung erst um 21 Uhr. Inzwischen liegt die Startzeit bei 20:15 Uhr. Noch früher soll es aber nicht losgehen, weil die Pariser – laut Turnierdirektorin Amelie Mauresmo – „gerne abends vorher Essen gehen“. Außerdem will Mauresmo auch Berufstätigen die Chance geben, rechtzeitig im Stadion zu sein.

Gleichzeitig lässt sich die Nightsession im Stade Roland Garros auch nicht ewig lang nach hinten ausdehnen. „Pariser nehmen in der Regel die Metro, um zu den French Open zu kommen“, erklärte Mauresmo schon mehrfach. Die letzte Bahn aber fährt um 0:50 Uhr – und für Roland Garros gibt es keine Ausnahmeregel. Weil es nun bei langen Fünf-Satz-Matches in der Vergangenheit schon vorkam, dass die Besucher ihre letzte Bahn verpassten, beginnt die Nightsession inzwischen früher. Aber auf das Wagnis, zwei Matches in die Nightsession zu packen, wird sich der französische Tennisverband niemals einlassen.

Die Rolle von Amazon Prime

Zu guter Letzt kommt noch Amazon Prime ins Spiel. Der Streaming-Dienst hat die Exklusivrechte an den Abendmatches und damit auch ein gesteigertes Interesse daran, dass die Begegnungen nach Möglichkeit viele Zuschauer vor die Screens locken. Spätestens jetzt steht man in dieser Gemengelage vor der Frage: Welche Matches sind denn nun tatsächlich attraktiv?

Geht es nach dem Präsidenten des französischen Tennisverbandes, Gilles Moretton, dann sind das in erster Linie Herrenpartien. Auf einer Pressekonferenz am Montag antwortete er auf die Frage, nach welchen Kriterien die Ansetzungen am Abend erfolgen, mit der leicht ungelenken Aussage: „Das Wichtigste ist, dass der Sport an erster Stelle steht. Manchmal müssen wir für die Nightsession das bessere Spiel ansetzen“. Wenn man nun bedenkt, dass 41 von 45 Nightsessions Herrenmatches waren, dann dürfte klar sein, was Moretton mit dem Ausdruck „das bessere Spiel“ meint.

Vermutlich dürfte ihm unmittelbar nach dem Statement klar geworden sein, dass er sich damit auf vermintes Gelände begeben hatte. Aber der Versuch, seine eigenen Worte etwas zu entschärfen, kam wenig überzeugend daher: „Vielleicht werden wir ein paar Damen-Matches in den Nightsessions haben. Wir werden sehen. Das hängt vom Zeitplan ab, wer gegen wen spielt und wer das beste Match sein wird.“

Mehr Damen in der Nightsession: Optionen gab es

Feststeht: Optionen, mehr Damenmatches als Nightsessions auszutragen, gab es einige. Ein Beispiel ist etwa die Partie von 2024 zwischen Iga Swiatek gegen Noami Osaka, die als eine der besten der kompletten letzten Saison gilt. Aber statt den beiden mehrfachen Grand Slam-Siegerinnen setzten die Veranstalter Jannik Sinner und Richard Gasquet ins Abendprogramm. Noch ein aktuelles Beispiel von 2025: Naomi Osaka gegen Paula Badosa als Erstrundenmatch am Montag wäre ein Nightsession-Knaller gewesen. Aber stattdessen wurde wieder Jannik Sinner bevorzugt, der erneut einen Franzosen – dieses Mal Artur Rinderknech – in glatten drei Sätzen bezwang.

Bei den Damen stießen Morettons Worte natürlich auf wenig Begeisterung. Ons Jabeur, die sich schon öfter in der Vergangenheit kritisch zu den Ansetzungen in Roland Garros geäußert hatte, drückte ihr Unverständnis am deutlichsten aus: „Es ist traurig, dass wir das immer noch erleben. In Europa ist es bedauerlich für den Frauensport im Allgemeinen. Wer auch immer die Entscheidung trifft, ich glaube nicht, dass er Töchter hat, denn ich glaube nicht, dass er seine Töchter so behandeln will.“

Jabeur war mit ihrer Generalkritik aber noch nicht fertig: „Es ist ein bisschen ironisch. Sie zeigen keinen Frauensport, sie zeigen kein Frauentennis, und dann behaupten sie, ‚ja, aber die Fans schauen hauptsächlich Männer‘. Natürlich sehen sie mehr Männer, weil man mehr Männertennis zeigt. Es ist eine Schande für den Verband, eine Schande für Amazon Prime, dass sie einen solchen Vertrag abgeschlossen haben.“

Eva Lys: „Sehe es zu 100 Prozent wie Ons“

Eva Lys, die heute gegen die kanadische Aufsteigerin Victoria Mboko ausgeschieden war, pflichtete ihrer Profikollegin bei: „Ich sehe es zu 100 Prozent wie Ons.“ Zu Beginn des Turniers hatte sich Lys etwas ausführlicher zu dem Thema geäußert: „Ich denke, dass wir als Frauen ein paar mehr Nightsession-Plätze verdient hätten. Gleichzeitig weiß ich aber, dass die Thematik sehr komplex ist.“ Lys ist also durchaus bewusst, dass sich an der aktuellen Situation kaum etwas ändern wird: Auch künftig werden vor allem Männermatches in den Abendstunden auf dem Court Philippe Chartier stattfinden.

Am Mittwochabend lautete die Nightsession-Partie übrigens: Holger Rune gegen Emilio Nava, Nummer 137 der Welt. Das Aufeinandertreffen der zwei Grand Slam-Siegerinnen Iga Swiatek und Emma Raducanu war für den Nachmittag terminiert. Das Match dauerte nur 75 Minuten und Swiatek gewann 6:1, 6:2. Aus Sicht der Veranstalter wird man bilanzieren: „Alles richtig gemacht!“