Gut zu wissen: Die fünf wichtigsten Fakten über Tennis-Teenager Justin Engel
Durch den Achtelfinaleinzug am Hamburger Rothenbaum steht der 17-jährige Justin Engel endgültig im Fokus der Tennis-Öffentlichkeit – die wichtigsten Fakten im Überblick.
Montagabend am Hamburger Rothenbaum: Im deutschen Duell zwischen Justin Engel und Jan-Lennard Struff gab es einen intensiven Schlagabtausch, den am Ende der Teenager aus Nürnberg mit 7:6, 7:6 gewann. Es ist sein erster Top 100-Sieg und sein erster Erfolg auf ATP 500er-Level. Engel, aktuell die Nummer 333 im ATP-Ranking, bestätigt damit die Meinung vieler Kenner der Szene: Er ist der vielversprechendste Nachwuchsspieler Deutschlands. Höchste Zeit, ihn einmal genauer vorzustellen. Die wichtigsten Fakten über Justin Engel!
Erster ATP-Sieg eines Spielers des Jahrgangs 2007
Im Oktober 2024 hatte Justin Engel eigentlich geplant, bei der Quali eines Challengers in Italien anzutreten. Dann aber gab es unverhofft eine Wildcard für das Hauptfeld beim ATP-250er-Turnier im kasachischen Almaty – und Engel nutzte die Chance. Gleich bei seinem ersten Auftritt auf großer Bühne gewann er gegen Coleman Wong aus Hongkong, damals die Nummer 133 in der ATP-Weltrangliste. Engel war erst zwei Wochen zuvor, am 1. Oktober 2024, 17 Jahre alt geworden.
Damit war er der erste Spieler des Jahrgangs 2007, dem ein Sieg auf der ATP-Tour gelang. Er reihte sich so in einen erlesenen Zirkel ein, denn die Liste der Spieler, die als Erste ihres Geburtsjahrgangs ein Match auf der ATP-Tour gewannen, enthält einige klangvolle Namen – zum Beispiel Carlos Alcaraz (Jahrgang 2003), Jannik Sinner (Jahrgang 2002), Alexander Zverev (Jahrgang 1997), Juan Martin del Potro (Jahrgang 1988) oder auch Novak Djokovic (Jahrgang 1987).
Was aus deutscher Sicht für noch mehr Aufmerksamkeit sorgte: Justin Engel ist der jüngste deutsche Spieler seit Boris Becker 1984, der ein Match auf der ATP-Tour gewann. In der zweiten Runde von Almaty verlor Justin Engel dann allerdings gegen Francisco Cerundolo mit 4:6, 6:7. Ein gutes Ergebnis, denn Cerundolo war zu dem Zeitpunkt die Nummer 31 im Ranking. Für Engel ist es bis heute der Gegner mit dem höchsten Ranking gewesen. Wenn er allerdings am Mittwoch am Rothenbaum auf Andrey Rublev trifft, wird das sein höchstplatzierter Gegner werden. Rublev steht momentan auf Rang 17.
Den Babysitter von früher geschlagen
Engel, 17, gegen Struff, 35, in der ersten Runde von Hamburg – das war nicht nur ein Generationenduell. Es war auch das Wiedersehen zweier alter Bekannter. Schon beim ATP-Turnier in München, wo Engel in der ersten Runde ausschied, machte eine alte Anekdote die Runde. Struff war früher tatsächlich der Babysitter von Justin Engel – zumindest ab und zu mal.
Wie es dazu kam? Struff war zu Beginn seiner Profikarriere mit der Tennisspielerin Nina Zander aus Nürnberg liiert, die ebenfalls große Ambitionen hatte und die damals von Engels Vater Horst trainiert wurde. Wenn Struff also seine Freundin in Nürnberg besuchte, passte das junge Paar manchmal auf den kleinen Justin Engel auf. „Erinnerungen habe ich daran keine mehr – da war ich zu klein. Aber der Struffi ist ein guter Freund“, erzählt Engel, nachdem er seinen Babysitter von früher besiegt hatte.
Justin Engel, 17, gewinnt sein 2. Match auf der ATP-Tour, das erste auf 500er-Level – 7:6, 7:6-Sieg gegen Jan-Lennard Struff am Hamburger Rothenbaum. Sein 1. Sieg gegen einen Top 100-Spieler. „Heute hat alles gepasst, das muss ich erstmal sacken lassen!“ #Hamburg pic.twitter.com/GsFy8HkEKE
— tennis MAGAZIN (@tennismagazin) May 19, 2025
Zwei Trainer, ein Ziel
Apropos Horst Engel: Er ist derjenige, der die Karriere seines Sohnes geplant, angeschoben und auch herbeigeführt hat. Er ist selbst ein richtig guter Spieler, war schon mehrfach Deutscher Mannschaftsmeister in den Seniorenklassen sowie Senioren-Europameister. Die frühere deutsche Spielerin Anca Barna führte er als Coach auf den 46. Weltranglistenplatz. „Der große Vorteil von Justin ist, dass er früh ein erwachsenes Mindset bekommen hat“, sagt Horst Engel. „Er war aufgrund der vielen Turnierreisen viel mit Erwachsenen zusammen.“
Erfahrener Kopf: Philipp Kohlschreiber gehört zum Trainer-Team von Justin Engel.Bild: Imago
Neben seinem Vater gehört neuerdings auch Philipp Kohlschreiber zum Trainer-Team von Justin Engel. Engel und Kohlschreiber kennen sich schon lange. Als aufstrebender Junior war Engel früher oft ein Sparringspartner an der Tennisbase in Oberhaching, wo auch Kohlschreiber trainierte. Wie der Vater ist auch „Kohli“ davon überzeugt, dass Engel es weit nach oben bringen kann. „Justin hat einen unglaublichen Willen. Er hat seine großen Träume. Dafür tut er alles“, sagte Kohlschreiber der SZ am Rande des Turniers in München. „Manchmal muss man ihn fast bremsen. Er ist in vielen Facetten noch ein Rohdiamant. Von seiner Power her spielt er Männertennis. Jetzt geht es darum, ihn taktisch in einem Crashkurs schlauer auf dem Platz zu machen.“
Das gelang Kohlschreiber inzwischen wohl. Jedenfalls schreibt Engel seinem Coach einen großen Anteil an seinem Sieg gegen Struff zu. Sie hätten viel an kürzeren Schwüngen gearbeitet, damit er ein höheres Tempo des Gegners besser mitgehen könne, berichtete Engel nach seinem Coup in Hamburg: „Meine Fußstellung hat sich auch stark verändert. Mit Philipp an meiner Seite habe ich mich auf jeden Fall enorm verbessert – und ich freue mich, weitere Jahre mit ihm daran weiterzuarbeiten.“
Sein Lieblingssport war anfangs nicht Tennis
Was viele überraschen dürfte: Tennis war nicht Engels erste sportliche Leidenschaft. In seiner Kindheit liebte er zunächst Teamsportarten wie Fußball und Basketball. Dann war er ein begeisterter Kickboxer und träumte sogar davon, einmal Profi zu werden. Das Racket lag zwar immer griffbereit, doch die Begeisterung dafür wollte sich lange nicht einstellen.
Nach eigenen Aussagen mochte er Tennis nicht – bis etwa zu seinem elften Lebensjahr. Erst dann, auf sanften, aber bestimmten Druck seines Vaters, kam die Wende. Heute ist Engel froh, dass er damals die Richtung wechselte. Nicht nur, weil er damit auf dem Weg zur Weltspitze ist, sondern auch, weil Kickboxen seiner Meinung nach „doch ein wenig gefährlicher“ gewesen wäre.
2022 bei einem DTB-Lehrgang in Hannover: tennis MAGAZIN schaute beim Training von Justin Engel (li.) und Max Schönhaus zu.Bild: Florian Petrow
Als tennis MAGAZIN Justin Engel 2022 bei einem DTB-Lehrgang in Hannover das erste Mal traf, wurde sofort klar: Für Engel gibt es nicht anderes mehr als Tennis. „Ich will Profi werden – ist doch klar. Sonst würde ich den ganzen Aufwand nicht betreiben“, sagt der damals 13-Jährige mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit. 2021 sei er in Summe „vielleicht drei Monate“ zu Hause in Nürnberg gewesen. Seine Schule stellte ihn oft wochenlang frei für Turnierreisen und Trainingscamps.
Wie er sich seine Zukunft vorstellt? Ohne lange zu überlegen, antwortete Engel: „Viele Kinder in meinem Alter wissen nicht, was sie den ganzen Tag machen sollen. Ich dagegen habe ein klares Ziel vor Augen: Ich gehe auf den Platz, um besser und irgendwann auch richtig erfolgreich zu werden.“
Aufgewachsen zwischen Nürnberg und Moldau
Engels Geschichte ist nicht nur sportlich interessant, sondern auch kulturell vielschichtig. Seine ersten Lebensjahre verbrachte er nicht in Deutschland, sondern bei seinen Großeltern in der Republik Moldau. Dort lernte er neben Deutsch auch Rumänisch, versteht bis heute Russisch und spricht fließend Englisch. Diese Mehrsprachigkeit und der frühe Perspektivwechsel haben ihn geprägt. Engel wirkt reflektiert, weltoffen und erstaunlich souverän für sein Alter – Eigenschaften, die ihm auf der internationalen Tour sicherlich helfen werden.
Mitarbeit: Luis Wölfer