Benjamin Ebrahimzadeh

Weiß, wovon er spricht: Benjamin Ebrahimzadeh, 45, ist seit mehr als 15 Jahren als Profitrainer unterwegs.Bild: Asics/Rick Pürschel

Benjamin Ebrahimzadeh: „Ein Trainer kann ein ganzes Leben verändern”

Tennis-Profitrainer Benjamin Ebrahimzadeh, der unter anderem mit Angelique Kerber, Dominic Thiem und Stan Wawrinka gearbeitet hat, über sein Philosophie und die Unterschiede zwischen Profi- und Breitensport. 

Herr Ebrahimzadeh, jeder Trainer hat eine Philosophie. Wie würden Sie Ihre beschreiben?

Es geht darum, aus dem Einzelnen das Maximum herauszuholen und wirklich zu versuchen, diese 100 Prozent zu erreichen. Da gibt es nicht den einen Weg. Es gibt keine Schablone zum Erfolg. Man muss sich anschauen: Wer ist der Mensch dahinter? Wie reagiert er? Wie spricht man mit ihm im Moment des Erfolgs? Wie spricht man mit ihm, wenn es mal nicht so gut läuft? Da hilft es natürlich, wenn man 20 Jahre Erfahrung hat. Dann kann man das schneller einordnen und findet schneller einen Zugang zum Spieler.

Was unterscheidet einen guten Trainer von einem exzellenten Trainer?

Das ist eine schwierige Frage. Ich weiß nicht, was „gut“ und was „exzellent“ ist – das gibt es so nicht. Es muss für den Spieler passen. Der Spieler muss erfolgreich sein. Er ist wichtiger als der Trainer. Der Trainer steht nicht im Vordergrund, sondern er stellt die Weichen, erkennt, was funktionieren könnte oder was Risiken birgt – körperlich, technisch oder taktisch. Das hilft, Fehler in der Entwicklung zu minimieren. Und da komme ich wieder auf das Stichwort „Erfahrung“. Das ist, glaube ich, das Wichtigste.

Sie haben mit Damen und Herren gearbeitet. Gibt es Unterschiede in der Herangehensweise?

In der Trainingsweise nicht unbedingt. Aber: Es sind unterschiedliche Typen. Man muss den Menschen dahinter verstehen – unabhängig vom Geschlecht. Ich will seine Stärken und Schwächen kennen, wissen, wie er unter Druck reagiert, wie er mit Situationen umgeht, die ich ihm gebe. Ob Mann oder Frau, spielt da für mich keine Rolle. Es geht darum, Zugang zum Spieler zu finden.

Wo liegen die größten Unterschiede zwischen Profi- und Breitensport?

Tennis ist ein Wiederholungssport. Ein Profi schlägt täglich vier bis sechs Stunden Bälle, ein Breitensportler vielleicht zwei Stunden pro Woche. Die Fehleranzahl ist beim Breitensportler deshalb viel höher. Das ist wie ein Vergleich zwischen einem VW Golf und einem Formel-1-Auto – das kann man nicht gleichsetzen. Außer der Sportart selbst gibt es kaum Gemeinsamkeiten.

Sie sind seit 15 Jahren im Profitennis tätig. Wie hat sich das Berufsbild verändert?

Die Teams sind größer geworden. Früher bin ich mit Angelique Kerber oft nur mit einem Physio oder allein gereist. Heute sind Ärzte, Fitnesstrainer, Personal Assistants, Psychologen, Ernährungsberater dabei. Das bringt mehr Expertise, aber auch mehr Führungsaufgaben: Du musst das Team managen, Informationen filtern und diese zur richtigen Zeit an den Spieler bringen. Das hat sich für mich am meisten verändert.

Tennis wird technischer, alles wird analysiert. Wie sehen Sie die Entwicklung, auch mit Blick auf Einbindung von KI?

Tennis ist datenlastiger geworden. Es geht darum, die relevanten Daten zu filtern, ein, zwei Schlüsselpunkte herauszuarbeiten, die umsetzbar sind. KI lebt von vielen eingespeisten Daten. Im Spitzensport sind diese sehr individuell und meist nur dem eigenen Team zugänglich. Ich arbeite auch mit Daten, lasse sie aber filtern, sodass ich eine halbe DIN-A4-Seite mit den wichtigsten Infos bekomme. Dann vergleiche ich das mit meinem eigenen Eindruck vom Match. Wenn es Überschneidungen gibt, nutze ich diese Infos für den Spieler.

Sie sind inzwischen auch als TV-Experte tätig. Nehmen Sie daraus etwas mit zurück in den Traineralltag?

Nicht wirklich. Ich habe schon immer viel Tennis geschaut, auch wenn ich nicht kommentiere – abends oft bis 1 Uhr nachts. Das ist für mich selbstverständlich. Chris Eubanks meinte zwar, dass er durch das Kommentieren ein besserer Spieler wurde – das kann ich nachvollziehen, weil man Matches ohne Emotionen analysiert. Aber das mache ich als Coach ohnehin ständig.

Hatten Sie ein Vorbild, als Sie Trainer wurden?

Ich war als junger Trainer sehr wissbegierig. Ich wollte wissen, was Serena Williams oder Roger Federer trainieren, wie sich die Spanier von Südamerikanern oder Tschechen unterscheiden. Daraus habe ich meine eigene Idee entwickelt. Ich habe mir von großen Trainern Dinge abgeschaut, aber es gab keine einzelne Person, an der ich mich orientiert habe. Ich habe versucht, mein eigenes Skillset zusammenzustellen.

Benjamin Ebrahimzadeh

Benjamin Ebrahimzadeh war selbst Profispieler und schaffte es auf Platz 512 im ATP-Ranking.Bild: Asics/Rick Püschel

Kann man auch von Trainern aus anderen Sportarten lernen?

Ja, sehr viel. Ich halte auch Vorträge außerhalb des Tennis. Ob im Job, im Leistungssport oder im Fußball – überall gibt es Parallelen. Es kommt oft auf dieselben Schlüsselpunkte an. Deshalb: ganz klares Ja.

Was bedeutet für Sie „Talent“?

Talent ist nicht nur Ballgefühl. Du musst mit Rückschlägen umgehen, hart arbeiten, auch wenn keiner zuschaut, jeden Tag die gleiche Bereitschaft zeigen. Du musst mit Misserfolgen, Verletzungen und privaten Problemen umgehen können. Das größte Talent ist für mich, diszipliniert zu arbeiten, auch wenn niemand hinschaut.

Wenn man Tennisprofi werden will: Wann sollte man anfangen?

Es hängt vom Einzelnen ab. Wie schon gesagt, ist Tennis ist ein Wiederholungssport, man muss viele Schläge machen. Wer erst mit 17 anfängt, wird es sehr schwer haben. Die meisten fangen mit vier, fünf oder sechs Jahren an. Jannik Sinner hat zum Beispiel relativ spät begonnen und war auch Skifahrer – das hat auch funktioniert. Aber das ist die Ausnahme.

Haben Sie einen Lieblingsmoment als Trainer?

Ich hatte viele emotionale Momente mit Spielern, wenn sie ihre Ziele erreicht haben. Einen konkreten Moment herauszupicken ist schwer. Aber jeder Spieler hatte einen besonderen Moment, den ich in guter Erinnerung behalte.

Warum ist Tennistrainer der beste Job? 

Weil du mit Menschen arbeitest. Wenn du eine Verbindung zu einem Menschen herstellst, erlebst du besondere Momente. Ein Trainer kann ein ganzes Leben verändern. Das macht diesen Job so spannend und erfüllend – und ich liebe ihn deshalb nach wie vor.

Warum ist die Trainerfluktuation im Tennis so hoch?

Ja, das sieht man häufig. Es gibt aber auch positive Beispiele wie Andrey Rublev mit seinem Trainer Fernando Vicente oder Daniil Medvedev mit Gilles Cervara. Vielleicht liegt es daran, dass viele schnelle Erfolge wollen. Doch Tennis ist harte, kontinuierliche Arbeit – es gibt keine magische Übung. Ein Spieler hat nur ein kleines Zeitfenster von vielleicht zehn Jahren. Wenn er das Gefühl hat, es passt nicht, ist es sein gutes Recht, etwas Neues zu versuchen. Manche brauchen Konstanz, andere versuchen es über Wechsel. Aber ich glaube, um wirklich etwas zu verändern, braucht es Zeit. Wer behauptet, das gehe schnell, den würde ich gerne kennenlernen – vielleicht hat er ja eine Wunderformel.

Infos Asics Tennis Academy

Benjamin Ebrahimzadeh ist Mitglied der Ascis Tennis Academy, die 2020 gegründet wurde. Die Asics Tennis Academy hat es sich zur Aufgabe gemacht, Trainer jeglichen Levels zu unterstützen. Es ist eine Gemeinschaft von mehr als 300 Tennistrainern in ganz Europa, mit Sitz in Frankreich, Spanien, Italien, Belgien, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und Deutschland. Zum Team gehören lokale Vereinstrainer, die mit normalen Spielern arbeiten, bis hin zu erfahreneren Coaches, die auf der Tour auf höchstem Niveau trainieren, sowie Trainern, die ihre Leidenschaft über die sozialen Medien teilen. Weitere Informationen: www.asics.com