ATP-Turnier Halle

Auf der grüne ­Wiese: So sah es in Halle 1993 aus, als die ersten Gerry Weber Open stattfanden.

30 Jahre ATP-Turnier in Halle: „Wir waren Pioniere”

Das ATP-Turnier in Halle wird 30 Jahre alt. Turnierdirektor Ralf Weber erinnert sich an die Anfänge des Klassikers, erklärt den ostwestfälischen Weg und blickt in die Zukunft.

Herr Weber, das ATP-Turnier in Halle feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Jubiläum. Erinnern Sie sich noch an die Anfänge? 

Natürlich, das waren prägende Momente in meinem Leben. 1991 und 1992 richteten wir in Halle bereits ein Challenger-Turnier auf Sand aus, das sehr gut von den Zuschauern angenommen wurde. 1992 veröffentlichte die ATP dann die Ausschreibung für ein größeres Grand Prix-Turnier in der Woche vor Wimbledon. Damals nannte man die Profiturniere noch so. Über 30 Städte bewarben sich für den Termin. Uns kam die Idee, das Turnier auf Rasen auszurichten. Kurz vor Wimbledon wollten die guten Profis auf Gras spielen, dachten wir uns. Zudem befand sich das deutsche Tennis in einer Hochphase mit Steffi Graf, Michael Stich und Boris Becker. Das kann man sich heute nur noch schwer vorstellen, was damals los war. 

War Halle der einzige Standort, der sich mit einem Turnier auf Rasen bewarb? 

Ja, wir waren die Einzigen. Das hat letztlich den Ausschlag gegeben. Wichtig war aber auch, dass wir mit Deutschland einen der führenden Tennismärkte der damaligen Zeit im Rücken hatten.

Ralf Weber

Von Beginn an dabei: ­Ralf Weber, 59, entwickelte mit Vater Gerhard das Rasenturnier.

Wie sind Sie das Projekt „Rasen-Turnier“ angegangen?

Ich bin nach Wimbledon gereist, um dem AELTC-Club eine Zusammenarbeit mit uns vorzuschlagen. Bei einem Termin mit der Clubführung habe ich den Verantwortlichen unsere Pläne vorgestellt. Anfangs waren die Herren eher zurückhaltend, aber ich konnte sie schließlich davon überzeugen, dass Wimbledon davon profitieren würde, wenn man ein Rasenturnier auch auf dem europäischen Festland veranstalten würde. Das gab es bis dahin nicht. Rasentennis fand nur in Großbritannien statt. Am Ende sicherte uns Wimbledon seine Unterstützung zu. 

Inwiefern? 

Als wir uns einig waren, öffnete der Clubchef eine Tür und dahinter stand Jim Thorn. Er war jahrelang der ­Greenkeeper in Wimbledon. Eigentlich hatte man ihn gerade in den verdienten Ruhestand verabschiedet, aber für die Zusammenarbeit mit uns wurde er reaktiviert. Mir wurde dann gesagt, dass Mister Thorn nächste Woche nach Halle kommen würde, um mit den Plätzen anzufangen. Wir durften keine Zeit verlieren. 

Warum nicht?

Nun, es war April 1992. In 14 Monaten sollten wir ein Rasenturnier ausrichten und wir hatten noch keinen einzigen Rasenplatz. Wir fragten uns schon, ob das alles überhaupt klappen kann. Zumal wir den Anspruch hatten, den Spielern eine Platzqualität wie in Wimbledon zu bieten. Aber mit Jim Thorn und seinem Sohn Phil kriegten wir das alles hin. Im Mai 1992 wurde der Rasen für den Centre Court gesät und wir bauten die Tribüne mit 4.500 Sitzplätzen um die Grasfläche herum. Als der Vorverkauf für die Rasen-Premiere 1993 startete, waren wir ruckzuck ausverkauft. Wir stockten die Tribüne dann kurzfristig weiter auf. 

Jimmy Connors

Letzter Sieg als Profi: Jimmy Connors kam 1995 als 42-Jähriger ins Viertelfinale.

Deutschland im Tennis-Fieber!

Ja, es waren andere Zeiten. Heutzutage könnte man das alles nicht so schnell aus dem Boden stampfen. Wir haben für das zweite Turnier 1994 alles weiter ausgebaut: das Hotel, die Anlage und den Centre Court inklusive Dach. In nur zehn Monaten Bauzeit! Unvorstellbar aus heutiger Sicht. 

Gab es in der Anfangsphase Skeptiker, die nicht an den Erfolg Ihres Turniers glaubten? 

Oh ja, aber mein Vater ließ sich nicht be­irren. Er war der geborene ­Unternehmer mit einem guten Händchen. Er verließ sich auf sein Bauchgefühl und lag meistens richtig. Wir waren in vielen Dingen echte Pioniere – nicht nur aufgrund der Belagswahl. Wir hatten von Beginn an sechs Trainingsplätze, wir hatten das Hotel direkt neben den Courts. Und wir boten als Provinzstadt wenig Ablenkung. Die Profis hatten hier ihre Ruhe. Da machte schnell der Begriff „Wohlfühloase“ die Runde. Später kam das üppige Rahmenprogramm hinzu – Stichwort „Tennistainment“. 

Ihr Vater wurde mit der Zeit als Wohltäter einer ganzen Region wahrgenommen. 

Er war mit seinem Unternehmen, mit der Gerry Weber AG, von Beginn an Hauptsponsor des Turniers. Wir erfuhren einen großen Rückhalt in ganz Ostwestfalen, weil viele erkannten, dass das ATP-Turnier zu einem Leuchtturmprojekt für die ganze Region werden könnte. Lokale Unternehmen wurden zu unseren Partnern. Und auch der heutige Hauptsponsor, die Wortmann AG, kommt aus der Region.

Warum traten 1993 eigentlich Michael Stich und Boris Becker nicht in Halle an?

Boris meinte, er würde in der Vorwoche von Wimbledon kein Turnier spielen. Mit Michael gab es unterschiedliche Vorstellungen in Sachen Antrittsprämie. Als die beiden Zugpferde wegblieben, sattelten wir um und holten die Top 10-Spieler Andre Agassi, Michael Chang und Petr Korda nach Halle.

Wie gefiel es dem Paradiesvogel Agassi in der ostwestfälischen Provinz?

So eine Kleinstadt wie Halle hatte er zuvor noch nie gesehen. Aber er nutzte hier die Zeit, um viel auf Rasen zu trainieren. Außerdem fuhr er oft zu einem Reiterhof, weil er sich für Pferde interessierte. Und Wasserschlösser schaute er sich an. 

Andre Agassi

Posterboy: Andre Agassi (Mi.) mit Ralf (li.) und Gerhard Weber 1993 vor der Premiere.

Sie starteten damals mit einem Drei-Jahres-Vertrag der ATP. 30 Jahre später gibt es Ihr Turnier noch immer. War das damals absehbar? 

Ich glaube nicht. Wir haben über die Jahre enorm viel investiert, aber das hat sich im Rückblick immer gelohnt. Wir sind mittlerweile zu einem 500er-Turnier mit weit mehr als 100.000 Zuschauern pro Jahr aufgestiegen. Der Konkurrenz-Veranstaltung im Londoner Queen‘s Club haben wir den Rang abgelaufen und sind das größte deutsche Tennisturnier. Ein Grund für den Erfolg: Wir stellen uns immer wieder die Frage, wie wir uns weiterentwickeln können. Ein Beispiel ist das Tennisstadion, aus dem längst eine Multifunktionsarena geworden ist. 

War der Vertrag auf Lebenszeit mit Roger Federer Ihr geschicktester Schachzug? 

Das Lustige daran ist, dass diese Idee nicht von uns kam. Es war Rogers Vorschlag. Wir trafen uns 2010 in Paris, um einen Zwei- oder Drei-Jahres-Vertrag mit ihm zu vereinbaren, als er dann plötzlich sagte: „Ich möchte bis zum Ende meiner Karriere in Halle spielen.“ Da war selbst sein Manager Tony Godsick überrascht – und wir sowieso. Das war ein absoluter Glücksfall für uns. Und auch ein Ritterschlag. Roger hat hier jahrelang die Massen begeistert. 

Ralf Weber, Roger Federer

Besondere Beziehung: Ralf Weber (li.) mit Roger Federer bei der Players Party 2008.

Mit welchem aktiven Spieler würden Sie jetzt gerne einen „Lifetime-Contract“ abschließen?

Das kann ich nicht beantworten. Mög­licherweise bleibt es eine einmalige Sache mit einem einzigartigen Spieler.  

Was ist mit Alexander Zverev?

Im Moment fehlt ihm noch der Grand Slam-Titel. Man muss sich so etwas auch ein Stück weit verdienen. 

Die deutschen Profis haben jahrelang immer gut in Halle abgeliefert. Im Moment aber würde keiner von ihnen direkt ins Hauptfeld kommen – bis auf Zverev. 

Das ist traurig. Ein ­Tennisturnier ist bis zu einem gewissen Grad von den Leistungen der einheimischen Spieler abhängig. Ohne deutsche Profis wird weniger über Halle berichtet, die Einschaltquoten gehen ­runter, die Sponsoren sind enttäuscht. Wir hatten hier früher sechs oder sieben ­Deutsche im Hauptfeld. Die aktuelle Entwicklung halte ich wirklich für besorgniserregend. 

Ihre Erklärung für den Abschwung? 

Ich habe keine. Ich sehe nur, dass es in ­vielen anderen Ländern mit Tennis­tradition aufstrebende Spieler gibt. In Spanien, in Frankreich, in den USA, in den Niederlanden, in der Schweiz. Bei uns kommt nichts nach. Sicherlich müsste der DTB mit ­seinen Landesverbänden das deutsche Förder­system überdenken. 

2022 haben Sie sich mit Halle bei der ATP für ein mögliches 1000er-Masters auf Rasen beworben. Gab es schon ein Feedback?

Leider nein. Es war eine Initiativbewerbung, nachdem unter anderem das tennis MAGAZIN von den Visionen des ATP-Chefs Andrea Gaudenzi, ein 1000er-Masters auf Rasen zu installieren, berichtet hatte. Das Thema liegt aber seitdem auf Eis. Es taucht auf keiner Agenda momentan auf. Im April gibt es ein Treffen der Turnierchefs in Monte Carlo. Ich hoffe, dass wir dann mehr erfahren werden. Wir wären jedenfalls bereit, all die erforderlichen Erweiterungen und Investitionen für so ein großes Turnier zu stemmen. 

Wie wird das 30-jährige Jubiläum in Halle im Juni gefeiert? 

In erster Linie mit einem erlesenen Teilnehmerfeld. Wenn man zurückschaut, dann haben wir 2023 tatsächlich das beste Feld seit 30 Jahren – mit sechs Spielern aus den Top 12: Stefanos Tsitsipas, Casper Ruud, Felix Auger-Aliassime, Hubert Hurkacz, Daniil Medvedev und Jannik Sinner. So eine Quote hatten wir selbst zur Boomzeit nicht. Hinzukommen Alexander Zverev und Nick Kyrgios. Auch unser Rahmenprogramm ist mit Ben Zucker, Giovanni Zarrella und Vanessa Mai erstklassig besetzt. Und in unserem Showevent wird unter anderem der Premierensieger von 1993 antreten: Henri Leconte.

Henri Leconte

Premierensieger: Henri Leconte (li.) gewann 1993 im Finale gegen Andrei Medvedev.

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