Alexander Zverev

Hat einige Angstgegner: Alexander Zverev spielt ungern gegen Taylor Fritz, Daniil Medvedev und Francisco Cerundolo. Bild: Imago

Zverev & Co.: Die Angstgegner der Tennis-Stars

Jeder Tennisspieler, sowohl bei den ­Profis als auch bei den ­Amateuren, hat in der Regel ­einen bestimmten Spieler, ­gegen den er sehr ungern spielt. Wir stellen die Angstgegner von einigen großen Spielern und Spielerinnen vor.

Jeder Freizeitspieler hat diese Situation bestimmt schon häufig erlebt. Man geht auf den Platz mit einem mulmigen Gefühl, weil man gegen einen Gegner spielt, dessen Spielweise einem ganz und gar nicht liegt. Auf der Papierform ist man eventuell der Favorit, man fühlt sich vielleicht auch als der bessere Spieler. Aber sobald es auf den Platz geht, ist das ganze Selbstbewusstsein verschwunden.

Auch im professionellen Tennis gibt es für Spieler einen bestimmten Gegner, gegen den man nur ungern spielt und meistens dann auch verliert. Die Rede ist vom Angstgegner. Der Angstgegner ist ein typisch deutscher Begriff. Im Englischen gibt es nicht wirklich ein Pendant dazu. Manchmal ist die Rede vom „Bogey Opponent“ oder „Nightmare Opponent“. Der Begriff hat sich aber nicht wirklich durchgesetzt. 

Was ist dran am Phänomen Angstgegner? Thomas Baschab, langjähriger Mentaltrainer klärt auf. „Der Angstgegner findet nur im Kopf statt. Nehmen wir das Beispiel von Taylor Fritz und Alexander Zverev. Fritz spielt nicht besser Tennis. Die Ausgangslage ist entscheidend. Fritz geht in diese Partien voller Selbstsicherheit, weil er die letzten Matches gewonnen hat. Er hat das Gefühl, gegen Zverev alles richtig zu machen. Da gibt es keine Zweifel mehr. Zverev hingegen hat ein komplett anderes Mindset. Er kann nicht mehr frei aufspielen, er ist blockiert. Gerade gegen Fritz will Zverev unheimlich viel. Aber zu viel Willenskraft ist kontraproduktiv, weil es sich auf den Körper negativ auswirkt – genauer: auf den Muskeltonus. Damit ist Spannungszustand eines Muskels gemeint. Erhöht sich der Muskeltonus, verschlechtern sich Schnelligkeit, Beweglichkeit und Koordination“, erläutert Baschab. 

Was kann man tun, um sich von einem Angstgegner zu befreien? „Um aus dieser Mühle rauszukommen, musst du dich in die beste energetische Verfassung bringen. Das schaffst du nur, wenn du dich von dem Druck lösen kannst, unbedingt gegen einen angeblichen Angstgegner zu gewinnen zu müssen. Am Ende löst du das Problem nicht über den Gegner – sondern über dich selbst. Du musst in einen Modus kommen, in dem du dich unüberwindlich fühlst – ganz egal, wer dir gegenübersteht. Djokovic ist darin ein Meister“, schildert Baschab.

Alexander Zverev vs. Taylor Fritz
Bilanz 5:8

Taylor Fritz, Alexander Zverev – Angstgegner

Negativspirale: Alexander Zverev (re.) verlor zuletzt fünfmal in Folge gegen Taylor Fritz.Bild: Imago

Als Alexander Zverev das Finale beim Rasenturnier in Stuttgart gegen Taylor Fritz verlor, richtete er scherzhafte Worte an seinen Angstgegner. „Taylor, ich habe so was von genug von dir, ich will dich die nächsten zwei, drei Jahre nicht mehr sehen. Komm‘ bitte nicht mehr nach Deutschland“, witzelte Zverev nach der fünften Niederlage im fünften Duell innerhalb eines Jahres. Im Head-to-head führt Fritz inzwischen mit 8:5.

Aus Zverevs Sicht ist aber nicht Fritz sein Angstgegner, sondern ein Spieler, der im ATP-Ranking deutlich weiter hinten liegt: Francisco Cerundolo, der im Head-to-head mit 3:1 führt. „Um ganz ehrlich zu sein, ja, ich hasse es, gegen ihn zu spielen. Wenn ich die besten Spieler der Welt wie Jannik Sinner und Carlos Alcaraz außer Acht lasse, ist er wahrscheinlich der schwierigste Gegner für mich“, gestand er dieses Jahr nach der Niederlage in Madrid. Auf Zverevs Lieblingsbelag Sand hat Cerundolo alle drei Matches gewonnen. 

Iga Swiatek vs. Jelena Ostapenko
Bilanz 0:6

Iga Świątek, Jelena Ostapenko – Angstgegner

Bislang nur Niederlagen: Für Iga Swiatek (li) ist Jelena ­Ostapenko nicht zu überwinden.Bild: Imago

Als Iga Swiatek bei den diesjährigen French Open nach ihrer Präferenz gefragt wurde, ob sie im Achtelfinale lieber gegen Elena Rybakina als gegen Jelena Ostapenko spielen würde, sagte sie mir einem verschmitzten Lächeln: „Nein.“ Und brach danach in Lachen aus. „Bin ich eine gute Lügnerin? Mein Gott, ich könnte kein Poker spielen“, scherzte Swiatek.

Für alle Beteiligten war klar, dass die Polin lieber gegen Rybakina spielen wolle, denn Ostapenko ist ihre ultimative Angstgegnerin. Ihre Bilanz: sechs Matches, sechs Niederlagen. Ostapenko hat Swiatek auf allen Belägen geschlagen. Angesprochen auf ihr Erfolgsrezept gegen die sechsfache Grand Slam-Siegerin sagte Ostapenko: „Das ist streng geheim. Ich werde nichts sagen.“ 

Boris Becker vs. Andre Agassi
Bilanz 4:10

Boris Becker, Andre Agassi – Angstgegner

Zwei große Charaktere: Boris Becker (li.) gewann in den 90er-Jahren nur einmal gegen Andre Agassi – im Halbfinale in Wimbledon 1995.Bild: Imago

„Ich weiß nicht, was härter ist: Gegen Brad zu spielen – oder ihn spielen zu sehen. Er war sehr stolz darauf, schlecht zu spielen und dennoch einen Weg zu finden, um zu gewinnen“, Das sagte Andre Agassi über Brad Gilbert, der später sein Trainer wurde. Gilbert war eine Zumutung für viele Spitzenspieler. Sein Buch „Winning Ugly“, in dem er seine mentale Kriegsführung auf dem Platz beschrieb, entwickelte sich zum Bestseller. 

Nicht nur Agassi spielte ungern gegen Gilbert (Bilanz: 4:4), sondern auch Boris Becker. Der Deutsche verlor vier der ersten fünf Duelle gegen den US-Amerikaner, ehe er das Head-to-head mit 8:4 abschloss. „Es war herrlich, ihn jammern zu hören. Ich wusste dann, dass ich gewinnen würde“, sagte Gilbert über die ersten Duelle mit Becker.

„Ich war mir sicher: Gegen ihn kannst du nicht verlieren und schwuppdiwupp habe ich das Match verloren. Er hat das Tempo komplett rausgenommen. Er hat schlechtes Tennis gespielt und mich auf sein Niveau runtergezogen. Mein Nervenkostüm am Anfang meiner Karriere war deutlich schwächer als zum Ende. Ich bin wahnsinnig geworden, wenn ich seinen Namen in der Auslosung gesehen habe“, sagte Becker über Gilbert in seinem Podcast „Becker Petkovic“. 

Im zweiten Teil von Beckers Karriere war Andre Agassi sein Angstgegner. Nach drei Siegen zu Beginn Ende der 80er-Jahre verlor Becker in den 90er-Jahren zehn von elf Duellen. „Er hat meinen Aufschlag gut gelesen. Ich habe in seine Stärke spielen müssen“, sagte Becker. Agassi erklärte in seinem Buch „Open“, wie er den Becker-Code schließlich knackte.

Anhand von Beckers Zungenbewegung wollte er erkannt haben, wohin Becker aufschlägt. „Ich habe mir immer wieder Videos angeschaut und entdeckt, dass er eine seltsame Angewohnheit hatte. Ohne Witz. Wenn er den Ball hochwarf, streckte er jedes Mal seine Zunge heraus. Aber mit einer Besonderheit. Wenn er sie geradeaus herausstreckte, schlug er den Ball in die Mitte oder auf deinen Körper. Zeigte sie nach links, bedeutete dies etwa von der rechten Seite des Spielfelds aus, dass er den Ball so weit wie möglich nach außen servierte“, schilderte Agassi.

Ob Agassi tatsächlich einige Meter entfernt auf der anderen Seite des Platzes die Zungenbewegung von Becker genau erkennen konnte, darf allerdings bezweifelt werden. Auf jeden Fall ist es eine der nettesten Anekdoten im Tennissport überhaupt. 

Pete Sampras vs. Richard Krajicek
Bilanz 4:6

Richard Krajicek

Überragender Aufschläger: Nur wenige Spieler siegten in Wimbledon gegen Pete Sampras, darunter Richard Krajicek.Bild: Imago

Wie es bei Novak Djokovic und Rafael Nadal der Fall ist, hatten nur wenige Spieler ein positives Head-to-head gegen Pete Sampras. Drei Profis konnten bei mindestens fünf Siegen eine positive Bilanz gegen „Pistol Pete“ aufweisen. Dazu gehören Michael Stich, Lleyton Hewitt und Richard Krajicek. Der Niederländer Krajicek gewann den direkten Vergleich mit 6:4.

Sein größter Sieg: im Viertelfinale in Wimbledon 1996. Es war Sampras‘ einzige Niederlage in Wimbledon zwischen 1993 und 2000. Krajicek servierte den dreifachen Titelverteidiger Sampras in drei Sätzen ab und gewann anschließend Wimbledon. „Man darf ihn nicht angreifen lassen, sonst gerät man enorm in Bedrängnis. Und ich zeige keinen Respekt davor, wie gut er ist“, sagte Krajicek über sein Erfolgsrezept gegen Sampras.

„Es scheint so, dass er gegen mich die besseren Nerven hat, wenn es im Spiel zur Entscheidung kommt“, sagte Sampras nach einer weiteren Niederlage. Krajicek bestätigte dies: „Ihn öfter geschlagen zu haben, gibt mir den Glauben an den Sieg, gibt mir Selbstvertrauen. Aber gegen Pete muss man immer am Limit spielen.“

Maria Sharapova vs. Serena Williams
Bilanz 2:20

Maria Sharapova, Serena Williams – Angstgegner

Teenager-Sensation: Maria Sharapova (li.) siegte mit 17 Jahren im Wimbledonfinale gegen Serena Williams.Bild: Imago

Selten gab es solch eine unausgeglichene Rivalität zwischen zwei mehrmaligen Grand Slam-Siegerinnen wie die zwischen Maria Sharapova und Serena Williams. Es ist kaum zu glauben, aber Sharapova hat das Head-to-head gegen Williams einmal angeführt. Die Russin hat die US-Amerikanerin zweimal bezwungen – beide Male als 17-Jährige. Sharapova gewann 2004 sensationell das Wimbledonfinale gegen Williams und ging dann zum Ende jenes Jahres mit dem Endspielsieg bei der WTA-Weltmeisterschaft im direkten Vergleich mit 2:1 in Führung.

Der Wendepunkt zwischen den beiden war dann das Halbfinale bei den Australian Open 2005, als Williams nach Abwehr von drei Matchbällen das Match mit 8:6 im dritten Satz gewann. Seitdem beherrschte Williams ihre Kontrahentin nach Belieben und gewann alle weiteren Duelle bis zum Karriereende – endgültige Bilanz: 20:2! Besonders deutlich war es im Olympiafinale 2012, als die US-Amerikanerin auf dem „heiligen Rasen“ in Wimbledon der Russin mit 6:0, 6:1 eine Lektion erteilte. 

Es hatte stets den Anschein, dass Williams noch mal eine Spur Extra-Motivation besaß, wenn sie gegen Sharapova antrat. In ihrer Biografie „Unstoppable: My Life So Far“ schilderte Sharapova, dass das Wimbledonfinale 2004 der entscheidende Faktor war. Denn die Russin hörte im Umkleideraum, wie Williams nach dem Endspiel bitterlich weinte.

„Ich bin so schnell wie möglich rausgegangen, aber sie wusste, dass ich da war. Die Leute fragen sich oft, warum ich so große Schwierigkeiten habe, Serena zu schlagen. Bei der Analyse sprechen die Leute über ihre Stärke, ihren Aufschlag und ihr Selbstvertrauen, wie ihr spezielles Spiel sich mit meinem misst, und sicher ist an all dem etwas dran. Für mich war die wirkliche Antwort dort, in dieser Umkleidekabine, wo ich mich umzog und sie schluchzte. Ich glaube, Serena hasste mich dafür, dass ich das dünne Kind war, das sie trotz aller Widrigkeiten in Wimbledon geschlagen hatte. Ich glaube, sie hat mich gehasst, weil ich ihr etwas weggenommen habe, von dem sie glaubt, dass es ihr gehört. Ich glaube, sie hasste mich dafür, dass ich sie in ihrem tiefsten Moment sah. Aber am meisten hat sie mich wohl dafür gehasst, dass ich sie weinen hörte. Das hat sie mir nie verziehen“, schrieb Sharapova.

Dass sich die beiden während ihrer Karriere nicht besonders leiden konnten, war ein offenes Geheimnis. Mittlerweile kommen die beiden sehr gut miteinander aus. 

Rafael Nadal vs. Nikolay Davydenko
Bilanz 5:6

Nikolay Davydenko, Rafael Nadal

Ohne Niederlage auf Hartplatz: Nikolay Davydenko (li.) gewann das Head-to-head gegen Rafael Nadal.Bild: Imago

Rafael Nadal war der Alptraum für die meisten Spieler. Wer gegen den Spanier siegen wollte, musste an seine körperlichen Grenzen gehen. Nadal verteilte nur selten Geschenke auf dem Platz und gab kaum Punkte leichtfertig ab. Selbst Nadals Matches über zwei Gewinnsätze dauerten oft eine gefühlte Ewigkeit. Es gab einen Spieler, der mit der Spielweise von Nadal bestens zurechtkam: Nikolay Davydenko.

Der Russe ist neben Novak Djokovic der einzige Spieler, der eine positive Bilanz gegen den Spanier hat und dabei mindestens drei Siege vorweisen kann. Davydenko gewann den direkten Vergleich mit 6:5 – alle sechs Siege waren auf Hartplatz. „Wenn ich gegen Nadal auf Hartplatz spielte, fühlte es sich an, als würde ich gegen einen ganz anderen Gegner antreten“, sagte Davydenko im Interview mit dem Magazin Clay.

Der Russe verwies auf einen wichtigen Punkt, warum ihm die Spielweise von Nadal entgegenkam. „Im Tennis geht es um Match-ups. Mein Spiel passte gut zu dem von Nadal auf Hartplatz, ich hatte keine Probleme mit ihm. Andererseits konnte ich James Blake auf Hartplatz nie schlagen, weil er hart schlug und darauf aus war, die Punkte in zwei oder drei Schlägen zu beenden.“

Mats Wilander vs. Miloslav Mecir
Bilanz 4:7

Milloslav Mecir

Sie nannten ihn „die Katze“: Ein Grand-Slam-­Turnier gewann Miloslav Mecir zwar nicht, dafür ist er Olympiasieger ­(Seoul 1988).Bild: Imago

Miloslav Mecir bleibt vor allem in Erinnerung durch seine elegante Spielweise. Seine Art, Tennis zu spielen, wirkte mühelos, als bedeute dies keinerlei Kraftanstrengung. Daher bekam er auch den Spitznamen „die Katze“ verpasst. Für die meisten Spieler war der Slowake ein Angstgegner, weil es so schwer war, gegen ihn zu bestehen.

Besonders der damalige Weltranglistenerste Mats Wilander biss sich an Mecir immer wieder die Zähne aus. Mecir, der in seiner Karriere als „Schweden-Killer“ galt, hat gegen Wilander eine 7:4-Bilanz vorzuweisen. Alle sieben Siege waren dabei sogar sehr eindeutig. Wilander verzweifelte immer wieder an Mecir, der ihm auch einen möglichen Kalender-Grand-Slam verbaute.

In seinem besten Karrierejahr gewann der Schwede 1988 die Grand-Slam-Turniere in Melbourne, Paris und New York. Nur in Wimbledon wurde es nichts mit dem Titel. Mecir führte Wilander im Viertelfinale in Wimbledon in drei schnellen Sätzen vor. Auf jedem Bodenbelag, sei es Rasen, Sand, Teppich oder Hartplatz, war Mecir für den siebenmaligen Grand-Slam-Sieger meist ein rotes Tuch.

„Nach fünf Minuten auf dem Platz in Wimbledon wünschte ich mir, den Platz zu verlassen und irgendwo anders hinzugehen. Ich war emotional völlig platt. Miloslav war mein Geist, der mich verfolgt hat, weil er mich so häufig besiegt hat. Wenn man einmal nicht gerne gegen jemand spielt, ist es wie bei mir, wenn ich gegen Miroslav Mecir spiele. Man hasst ihn für den Rest seines Lebens“, sagte Wilander über seinen Angstgegner.