Patrick Mouratoglou

Beim Zeus! Patrick Mouratoglou mit der Siegertrophäe des Ultimate Tennis Showdown (UTS): einem Blitz aus Metall.

Patrick Mouratoglou: „Spieler spüren, dass sie sich nicht frei äußern können”

Patrick Mouratoglou ist der Erfinder des UTS-Formats. Im Interview spricht der Star-Trainer über die Vorteile seines Produkts, den Vergleich mit anderen Sportarten und seine Trainerphilosophie.

Das Interview ist erschienen in tennis MAGAZIN-Ausgabe 11/2023.

Herr Mouratoglou, warum haben Sie den Ultimate Tennis Showdown er­funden? Welches Ziel wollen Sie damit ­erreichen?

Mein Ziel war es, ein Produkt zu erschaffen, dass vor allem für die jüngeren Fans attraktiv ist, um diese zum Tennis zu bringen. Ich möchte nicht die alten Fans ersetzen, sondern eine neue Option für eine jüngere Fangeneration anbieten. Wir haben uns die Frage gestellt, wie Tennis, wenn man es heute erschaffen würde, aussehen würde. Meine Sorge ist, dass Tennis es nicht schafft, jüngere Fans zu begeistern, wenn man sieht, wie junge Leute heutzutage konsumieren. Mit UTS wollten wir ein zeitgemäßes Format schaffen. Ein Match dauert maximal 45 Minuten, so lange wie eine Folge einer Netflix-Serie. Zudem gibt es feste Spielzeiten. Ich weiß also vorher genau, wann mein Lieblingsspieler spielt. 

Welche Vorteile bietet UTS noch?

Ich möchte es in zwei Bereiche unterteilen. Es ist ein ernster Wettkampf, es soll kein Schaukampf sein. Wir sind eine Liga mit Turnieren und einem Rankingsystem. Die Spieler nehmen es also ernst und spielen sehr hart. Der zweite Punkt ist, dass es extrem unterhaltsam ist. Der Erfolg von UTS kommt durch die Kombination von einem ernst genommenen Wettkampf und einem Format, das viel Spaß bringt. Es ist aufregend, verrückt und voller Leidenschaft. Der hohe Entertainment-Faktor wird durch die Regeln erzeugt, die komplett anders sind, sowie durch die Zuschauer, die sich frei bewegen und äußern dürfen, auch ­während der Ballwechsel. Hinzukommen der DJ sowie eine Art „Zeremonienmeister“,  der durch das Event führt. Das Erlebnis beim UTS soll so aufregend wie möglich sein. 

Patrick Mouratoglou: „Für die jüngere Generation hat sich Tennis nicht angepasst“

Was fehlt im klassischen Tennis?

Tennis ist weiterhin mein Lieblingssport und meine große Passion, seitdem ich ein Kind bin. Ich möchte nichts verändern am Tennis. Tennis muss sich aber an den aktuellen Zeitgeist anpassen. Für die ältere Generation, mich eingeschlossen, ist Tennis perfekt. Wir haben Tennis immer so geschaut, wie es auch derzeit noch ist. Wir lieben es. Für uns gibt es kein Problem mit Tennis. Für die jüngere Generation hat sich Tennis nicht angepasst. Aus meiner Sicht ergibt es Sinn, dass es sowohl ein Format für die traditionellen und langjährigen Fans gibt sowie eine moderne Variante für die junge Generation. Der Mix aus beiden Formaten ist das Besondere.

Patrick Mouratoglou: „Die Spieler spüren, dass sie sich nicht frei äußern können“

Ist der Verhaltenskodex auf der Tour zu strikt, um als Profi seine Persönlichkeit im Match ausleben zu können?

Ich glaube, dass die Spieler spüren, dass sie sich nicht frei äußern können. Tennis ist ein sehr traditioneller, konservativer Sport. Viele Fans und Verantwortliche in der Tenniswelt sind der Meinung, dass die Profis ein Vorbild für die Außenwelt sein sollen. Ist das sinnvoll, um die junge Generation zu begeistern? Ich bin mir nicht sicher. 

Sind die Medien zu schnell, wenn Sie Spielern das Label „bad guy“ verpassen wie bei Nick Kyrgios oder Benoit Paire?

Kyrgios und Paire sind anders als die anderen. Ich weiß nicht, warum irgendjemand das Wort „bad guy“ überhaupt in den Mund nehmen kann. Die haben niemandem wehgetan, die haben nur frei ihre Meinung geäußert, ihre Frustration haben sie mehr als andere nach außen getragen. In jedem Verein der Welt weiß man, wie frustrierend Tennis sein kann. Wenn man in die Clubs geht, sieht man Spieler, wie sie ausrasten oder Schläger kaputt hauen. Wenn man das als Profi macht, dann ist man der „bad guy“. Wow! Die Leute urteilen immer schnell über andere, davon bin ich kein Fan. Die sollten lieber auf sich selbst schauen. Als Spieler musst du du selbst sein. Das einzige Produkt, das ein Profi verkauft, ist er selbst. Man sollte nicht versuchen, jemand anders zu sein, das ist nicht interessant. Leute werden dich mögen, manche werden dich nicht mögen. Sie denken immer irgendwas über einen.

Patrick Mouratoglou: „Die ganze Dynamik eines Matches haben wir verändert“

Was kann Tennis von anderen Sportarten lernen? 

Ich will keine Unterrichtsstunde halten. Ich kann mich nur auf den Ultimate Tennis Showdown beziehen. Von den modernen Sportarten kann man Dinge lernen, zum Beispiel von der UFC (Ultimate Fighting Championship). Manche Sportarten können die jungen Zuschauer mehr überzeugen. Wir wollten die Matches kürzer machen. Das Viertelsystem ist gut dafür. Bei uns entscheidet die Zeit, wann ein Viertel zu Ende ist, das ist ein großer Unterschied. Das haben wir vom Basketball übernommen. Die Zeit ist kürzer zwischen den Ballwechseln, um es dynamischer zu machen. Dafür haben wir eine längere Pausenzeit zwischen den Vierteln. Anstatt, dass sie sich in der Zeit das Gesicht mit dem Handtuch abwischen und trinken, führen wir Interviews mit ihnen. Dies erzeugt spannende Momente. Die ganze Dynamik eines Matches haben wir verändert. Wir haben uns viel Inspiration aus dem Basketball, der UFC und auch aus Videospielen geholt. 

Beim Darts oder im Boxen gibt es auch Spitznamen für die Spieler. Zusätzlich haben sie dort individuelle Einlaufmusik. Ist das beim UTS geplant?

Das wird auf jeden Fall passieren. 

Patrick Mouratoglou: „Als Trainer muss man sich dem Spieler anpassen“

Zu welcher Musik würden Sie gerne einlaufen?

Ich würde zu Rapmusik einlaufen, weil man vor dem Match eine aggressive Musik braucht. 

Wie sieht Ihre Trainerphilosophie aus? Welche Punkte sind Ihnen wichtig?

Es ist bei jedem Spieler anders. Ganz wichtig ist, dass man eine Verbindung zum Spieler aufbaut, mit ihm auf der gleichen Wellenlänge ist und immer zusammen in die gleiche Richtung geht. Man muss sich dem Spieler anpassen, ihn verstehen und die Dinge beherzigen, die der Spieler braucht. Es ist wichtig, wie man mit dem Spieler kommuniziert. Man muss komplett ergebnisorientiert sein. Es sollte sich alles um das bevorstehende Match drehen. Wenn ich den ganzen Tag mit einem Spieler Backgammon spielen muss, damit er jedes Match gewinnt, dann spiele ich Backgammon mit ihm. 

Patrick Mouratoglou, Coco Gauff

Viel beschäftigt: US Open-Siegerin Coco Gauff wurde in den letzten Jahren gelegentlich von Patrick Mouratoglou betreut (wie hier bei den diesjährigen French Open). Bis zu den US Open 2023 war Mouratoglou als Coach von Holger Rune tätig.

Patrick Mouratoglou: „Will Spielern auf der ganzen Welt Tipps geben“

Tommy Haas hat sie den modernen Nick Bollettieri genannt. War Bollettieri ein Vorbild in Ihrer Anfangszeit als Trainer? 

Ein Vorbild als Trainer war er nicht unbedingt. Ich kannte ihn lange Zeit nicht, ich habe ihn nie im Fernsehen gesehen. Was Nick mit seiner Akademie erreicht hat, ist einzigartig. Ich habe ihn kennengelernt, als ich älter war und meine Akademie bereits existierte. Wir sind Freunde geworden. In puncto Akademie ist er definitiv ein Vorbild. Ich habe einige Dinge übernommen von ihm, aber auch viele Dinge anders gemacht. 

Welches Vermächtnis möchten Sie ­hinterlassen, wenn die Leute auf Ihre Karriere zurückblicken?

Ich bin sehr stolz darauf, dass viele Spieler auf der ganzen Welt sich so fühlen, als würde ich sie coachen, weil sie sich meine Videos auf Social Media anschauen. Ich möchte gerne derjenige sein, der Spielern auf der ganzen Welt Tipps gibt und sie das Gefühl haben, dass wir zusammenarbeiten. Dieses Feedback bekomme ich sehr häufig, dass mich Leute ansprechen und sagen: ‚Hallo, mein Trainer‘.

Patrick: Mouratoglou: „Gauff hat alles, um ein großer Start zu werden“

Coco Gauff hat bei den US Open Ihren ersten Grand Slam-Titel gewonnen. Wird Gauff die Spielerin sein, die mehr Aufmerksamkeit für das Damentennis bringt? Nicht nur aufgrund ihrer Leistungen, sondern wegen ihrer ganzen Persönlichkeit?

Zu 100 Prozent. Ich glaube, sie ist mittlerweile ein Star. Um ein Star zu sein, musste sie ein Grand Slam-Turnier gewinnen. Sie kann noch viel mehr Titel gewinnen. Es macht unglaublich Spaß, ihr beim Spielen zuzusehen. Sie hat so viel Charisma, Energie und Positivität. Sie hat alles, was es braucht, um ein großer Star zu werden und um die Leute dazu zu bringen, die WTA-Tour zu schauen. Ich bin sehr froh darüber, dass Naomi Osaka im nächsten Jahr wieder zurückkommt. Sie ist auch großartig für den Tennissport. Eine mögliche Rivalität zwischen den beiden könnte sehr aufregend werden. 

Das Herrentennis sortiert sich auch gerade neu. Wie könnten die zukünftigen Duelle auf der Tour aussehen? Carlos Alcaraz gegen Jannik ­Sinner oder Carlos Alcaraz gegen Holger Rune?

Das ist schwer vorherzusagen. Momentan besteht eine große Rivalität zwischen Carlos Alcaraz und Novak Djokovic. Das sind die beiden, die die Grand Slams gewinnen. Novak hat natürlich schon viel mehr gewonnen. Die Zukunft ist offen. Genau das macht den Reiz aus. Es kommen so viele Spieler in Frage: Sie haben Rune und Sinner genannt, aber es gibt noch viele mehr. Casper Ruud, Daniil Medvedev, Ben Shelton, Felix Auger-Aliassime. Es gibt so viele Profis, die unglaublich gutes Tennis spielen. Sie alle haben immer noch Potenzial, sich zu verbessern. Daniil hat schon ein Grand Slam-Turnier gewonnen. Casper war sehr nah dran. Stefanos Tsitsipas hat schon mehrere Finalpartien gespielt. Die Zukunft wird spannend.

Patrick Mouratoglou über Zverev: „Mir gefällt, was ich von ihm sehe“

Wie sehen Sie die Entwicklung von Alexander Zverev?

Ja, Zverev hätte ich erwähnen müssen. Er war verletzt und verschwand für eine gewisse Zeit. Jetzt kommt er immer stärker zurück. Mir gefällt, was ich von ihm sehe. In der Vergangenheit habe ich gesagt, dass es für mich schwer vorstellbar ist, dass er ein Grand Slam-Turnier gewinnt, weil sein Spiel noch nicht komplett war. Er hat sich in der letzten Zeit deutlich verbessert. Auf dem Court kann er jetzt Dinge, die er vorher nicht beherrschte, das heißt, dass er sein Tennis weiterentwickelt hat. Jetzt sehe ich ihn in einer weitaus besseren ­Position als vorher. Er kann definitiv ein Grand Slam-Champion werden.

Novak Djokovic hat seinen 24. Grand Slam-Titel gewonnen. Ist er jetzt der unumstritten beste Spieler der Geschichte im Tennis allgemein oder sogar der größte
Sportler der Geschichte?

Es ist schwer, Sportarten zu vergleichen. Ich werde es nicht tun, weil ich die anderen Sportarten nicht gut genug kenne, um darüber zu urteilen, wer besser oder schlechter ist. Im Tennis gibt es keine Diskussionen mehr, dass er wegen ­seiner Erfolge der größte Spieler aller Zeiten ist. Zusätzlich wird er noch ein paar Jahre spielen und noch mehr gewinnen. Auch wenn die Zahl 24 schon verrückt ist, er wird nicht mit 24 Titeln aufhören. Er wird noch mehr gewinnen. Deswegen ist er ­definitiv der Größte.

Vita Patrick Mouratoglou

Patrick Mouratoglou

Der Franzose, 53, stammt aus Neuilly-sur-Seine, westlich von Paris. 1996 eröffnete er seine erste Akademie in der Nähe von Paris. 2012 begann seine Zusammenarbeit mit Serena Williams, mit der er zehn Grand Slam-Titel gewann. Zu seinen Schützlingen gehörten auch Stefanos Tsitsipas, Holger Rune und Simona Halep. 2016 eröffnete er bei Nizza die größte Tennisakademie in Europa. Seit 2019 ist er Botschafter von Dunlop. Die Dunlop Innovation Centres vor Ort rüsten nicht nur den Starcoach, sondern auch seine Nachwuchsspieler mit den neuesten Schlägern von Dunlop aus und passen Racket und Besaitung individuell an die Spieler an.